Herr Rausch, vor fast genau 100 Jahren gründete Ihr Urgroßvater Wilhelm Rausch die auf Schokoladenprodukte aus Edelkakao spezialisierte Confiserie. Wie ist damals die Idee entstanden, vor allem vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs?

Schokolade war schon immer unsere Leidenschaft. Unser Ursprung geht sogar bis ins Jahr 1890 zurück. Nach der schweren Zeit eines Weltkrieges war es für die Menschen wichtig, wieder kleine Freuden zu finden. Die Idee meines Urgroßvaters, eine kleine Privat-Confiserie mit feinsten Schokoladen, Pralinen und Honigkuchen zu eröffnen, war damals sicherlich der richtige Einfall und das, was die Menschen brauchten, um wieder ein Stück Glück im Leben zu haben.

Heute hat Ihr Unternehmen an den Standorten Berlin und Peine über 400 Mitarbeiter. Welche Meilensteine würden Sie aus den vergangenen 100 Jahren hervorheben wollen?

Wir sind stolz darauf, bereits seit fünf Generationen als familiengeführtes Unternehmen in Berlin feinste Schokoladen und Pralinen herzustellen. 1968, zu unserem 50-jährigen Jubiläum, baute meine Familie die Schokoladen-Manufaktur in Berlin-Tempelhof. Diesen Standort haben wir letztes Jahr weiter ausgebaut und vergrößert.
Das Jahr 1998 war ebenfalls sehr wichtig für uns: Damals hat mein Vater Jürgen Rausch die „Rausch Plantagen-Schokoladen“ entwickelt. Dahinter steckt die für die 1990er-Jahre innovative Idee, nur Edelkakao zu nutzen, den wir damals wie heute direkt von den Kakaobauern vor Ort beziehen. Ein Jahr später eröffnete mein Vater das „Schokoladenhaus“ am Gendarmenmarkt. Damals galt er mit dieser Entscheidung als „Rebell“ der Branche. Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer war der Gendarmenmarkt noch nicht der Berliner Hotspot, der er heute ist. Niemand hatte an den Standort und das Konzept eines „Schokoladenhauses“ geglaubt. Heute sind sehr viele bekannte Chocolatiers in der Nachbarschaft. Das Schöne daran: Schon in den 1920er-Jahren galt die Gegend um den Gendarmenmarkt herum als „Süße Ecke Berlins“.
Seit Herbst 2015 gibt es unsere Schokoladen-Produkte exklusiv im „Schokoladenhaus“ am Gendarmenmarkt und in unserem Onlineshop. Ein großer Schritt, und wieder ein Schritt, mit dem wir einen kleinen Aufschrei in der Branche hervorgerufen haben. 2018 war natürlich ein sehr wichtiges und vor allem spannendes Jahr für uns. Wir feierten „100 Jahre beste Schokolade“ und haben dies zum Anlass genommen, unser Schokoladenhaus um- und auszubauen und Edelkakao-Schokolade mit allen Sinnen erlebbar zu machen.

Zu Ihrer Produktpalette gehören neben Tafelschokolade auch Pralinen und saisonale Erzeugnisse wie Schokoladen-Weihnachtsmänner und -Osterhasen. Was ist Ihr aktueller Bestseller?

Unsere Edelkakao-Schokoladen „Rausch Plantagen Costa Rica 75 %“ und „Rausch Plantagen Trinidad 80 %“. Rausch ist weltweit bekannt für dunkle Edelkakao-Schokoladen mit dem typischen Rausch-Knack. Ganz anders, aber auf jeden Fall genauso fein, im wahrsten Sinne des Wortes: unsere „Hauchfeinen Täfelchen“. 1926 von meinem Urgroßvater erfunden, zergehen sie direkt auf der Zunge und entfalten ihr Aroma – wir sagen: „Die besonders feine Art, Edelkakao-Schokolade zu genießen.“
Mein Urgroßvater suchte lange nach der perfekten Form und Kontur, die eine Entfaltung der Aromen so unmittelbar wie möglich macht. So entstanden die exakten – heute legendären – Maße: vier mal vier Zentimeter große und 1,2 Millimeter hauchdünn geschnittene, mundgerechte Täfelchen feinschmelzender Edelkakao-Schokolade. Und natürlich unsere „Berliner Trüffel“, liebevoll von Hand in unserer Berliner Schokoladen-Manufaktur gefertigt.
Aus welchen Ländern beziehen Sie Ihre Zutaten?
Uns ist es wichtig, mit den Kakaobauern vor Ort zusammenzuarbeiten. Deshalb beziehen wir die Edelkakaos unserer Edelkakao-Schokoladen direkt und ohne Zwischenhändler aus den Herkunftsländern rund um den Äquator wie Grenada, Venezuela, Peru, Ecuador, Costa Rica und Trinidad und Tobago. Dabei bauen wir langfristige Partnerschaften auf und stehen im direkten Kontakt zu den Kakaobauern. Deshalb haben wir auch eine eigene Edelkakao-Plantage in Costa Rica. Hier geht es in erster Linie nicht darum, selbst Edelkakao anzubauen. Wir sind gerade dabei, unser Edelkakao-Institut aufzubauen. Hier wollen wir einerseits mit unseren beiden Kakaoexpertinnen Dr. Elsa Hegmann und Dr. Christina Rohsius forschen, also unser Wissen ausbauen und weitergeben, und andererseits unsere Partner und Kakaobauern einladen, um sie zu schulen und ihnen somit durch Wissen viel mehr mitzugeben als einen fairen Preis. So können sie ihre eigenen Erträge steigern und einen besseren Preis erzielen.
Mit welchen Maßnahmen garantieren Sie die Nachhaltigkeit bei Ihrer Produktion?
Der wichtigste Punkt ist tatsächlich der direkte Kontakt zu den Kakaobauern vor Ort, und eine langfristige Partnerschaft aufzubauen. Nur so können wir auf beiden Seiten das Vertrauen schaffen, das guter Edelkakao benötigt. Wir zahlen den Kakaobauern einen Preis über dem Weltmarktniveau und agieren ohne Zwischenhändler. Vor Ort helfen wir beispielsweise beim Ausbau der Infrastruktur, ob beim Bau von Trocknungsanlagen oder beim Bau von Fermentationsanlagen. Das hilft auch bei der nachhaltigen Qualität unserer Produkte. Eine Sonnentrocknungsanlage ist natürlich nicht nur für den Edelkakao besser als eine Dieseltrocknungsanlage, sondern auch für die Umwelt und die Menschen. Wir zeigen auch Alternativen zum Einsatz von chemischen Pestiziden, beispielsweise durch den Anbau im Agroforstsystem.
Anlässlich des 100. Geburtstages wurde das „Rausch Schokoladenhaus“ am Berliner Gendarmenmarkt kürzlich um eine Etage erweitert. Was erwartet die Gäste hier?
Kurz gesagt: Purer Genuss auf über 1.500 Quadratmetern und drei Etagen. Unsere Gäste erwarten ganz neue Highlights. Im Erdgeschoss begrüßen wir die Besucher mit der längsten Pralinentheke der Welt, mit 23 Metern und 250 Pralinen, Trüffeln und Schokoladenkreationen. Hier gibt es die Berliner Skyline mit unseren beliebten Schaustücken aus Schokolade. Und hier finden internationale Gäste typische Berlin-Klassiker für Freunde und Familie zu Hause.
In der ersten Etage nehmen wir Besucher in der „Rausch Plantagenwelt“, unserer neuen Erlebnisausstellung, mit auf eine audiovisuelle Reise und zeigen, wie aus einer Kakaofrucht pure Edelkakao-Schokolade wird. Unser Schokoladen-Café ist nun in der zweiten Etage und bietet somit einen noch atemberaubenderen Blick über den Gendarmenmarkt. Ganz neu: Die Gäste können unseren Patissiers in unserer Live-Patisserie zuschauen, wie sie feinste Schokoladenkreationen zubereiten und sich so schon einmal Appetit holen, denn an unserer „Circle Bar“ fahren diese Leckereien direkt an den Gästen vorbei, die dann die Qual der Wahl haben.
Im vergangenen Jahr wurde Ihr Unternehmen bei den „Hidden Champions Awards“ von n-tv als Gewinner der Kategorie „Change“ ausgezeichnet. Welche Kriterien haben die Jury damals überzeugt?
Vor allem war es der digitale Wandel, den wir aktuell bei Rausch vollziehen. Aber wichtig dabei ist, dass wir es schaffen, unsere Mitarbeiter, die Marke und die Kunden auf die Reise mitzunehmen. Ob durch den damaligen Schritt, ein Schokoladenhaus am Gendarmenmarkt zu eröffnen, oder Schokoladen aus Edelkakaos direkt aus den Herkunftsländern herzustellen oder zu sagen, wir setzen komplett auf den Direktvertrieb: Wir haben gezeigt, dass wir Pioniere in der Süßwarenbranche sind.
Deshalb stechen wir heraus und sind neben den großen Playern als Mittelständler der Süßwarenbranche ein Vorreiter, was das Thema angeht, Lebensmittel online zu bestellen und direkt frisch nach Hause liefern zu lassen. Dabei stehen für uns der faire Bezug unserer Edelkakaos und der handwerkliche Aspekt im Vordergrund, und somit schlussendlich auch die Qualität unserer Edelkakao-Schokoladen.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft Ihres Unternehmens?
Im ersten Halbjahr des nächsten Jahres steht der Aufbau unseres Edelkakao-Instituts in Costa Rica im Fokus. Damit ebnen wir die Basis für die wichtige Forschungsarbeit zu den Themen Anbau und Verarbeitung von Edelkakaos, vor allem vor dem Hintergrund der klimatischen Veränderungen. Zweiter Baustein ist die Schulung für Kakaobauern in den Herkunftsländern. Parallel ebnen wir den Weg für die Internationalisierung von Rausch. Das heißt, wir werden einzelne Elemente des Schokoladenhauses nehmen und in verschiedenen Ländern etablieren. Das kann beispielsweise die „Circle Bar“ am Flughafen in Shanghai sein oder eine Schokoladen-Boutique in New York. Hier werden wir dann, wie in Deutschland, offline und online eng miteinander verknüpfen.
INTERVIEW Markus Feller