Während die historische Seidenstraße vorwiegend Ostasien auf dem Landweg über Zentralasien mit dem Mittelmeerraum verknüpfte, soll das neue Projekt die Verbindungen von mehreren Wirtschafts- und Handelskorridoren zu Land und zur See zwischen China, Asien, dem Nahen Osten und Europa sowie Afrika ausweiten. Es verknüpft etwa 68 Länder miteinander und umfasst insgesamt 65 Prozent der Weltbevölkerung, die 2017 rund 40 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts erwirtschafteten.
Ein Hauptziel der Neuen Seidenstraße ist es, Infrastruktur auszubauen, und dadurch eine globale Investitionslücke zu schließen. Nach Schätzungen von McKinsey beläuft sich der globale Bedarf an Infrastrukturinvestitionen zwischen 2016 und 2030 auf rund 3,3 Billionen US-Dollar jährlich. Wenn die aktuellen globalen Investitionen erhalten bleiben, entsteht in diesem Zeitraum eine globale Investitionslücke von circa 5,2 Billionen US-Dollar. Betroffen sind vor allem Sektoren wie Transport, Energie, Wasser und Telekommunikation, die wichtige Kernsektoren der Neuen Seidenstraße darstellen. In den Entwicklungsländern Asiens ist der Bedarf an Infrastrukturinvestitionen besonders hoch. Laut der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) belaufen sie sich von 2016 bis 2030 auf insgesamt rund 26 Billionen US-Dollar.
Einerseits bietet die Initiative mit den enormen Infrastrukturinvestitionen auch großes Wachstumspotenzial in einer multipolaren Welt für alle beteiligten Länder. Andererseits ist offen, wie ein solches Mammutvorhaben finanziert werden kann. Welche Chancen und Risiken treten bei der Finanzierung der Neuen Seidenstraße und damit besonders bei der Finanzierung von Infrastrukturvorhaben auf? Zum einen hat die chinesische Regierung über verschiedene nationale und multilaterale Institutionen erhebliche Summen bereitgestellt. Zum anderen ist diese Finanzierung mit erheblichen Risiken verbunden. Der immense Finanzierungsbedarf stellt viele bereits schon hochverschuldeten Länder, zum Beispiel Tadschikistan, Kirgisien, die Mongolei oder Pakistan, vor enorme Herausforderungen.
Des Weiteren ist gerade die Finanzierung von Infrastrukturprojekten mit erheblichen Risiken verbunden. Infrastrukturprojekte sind oftmals sehr komplex und involvieren eine große Anzahl an Akteuren. Gleichzeitig generieren sie erst nach einigen Jahren Gewinne. Insbesondere die Anfangsphase birgt hohe Risiken, da zu Beginn erhebliche Investitionskosten anfallen und gleichzeitig die Ausfallraten hoch sind. Dies gilt beispielsweise für Investitionen in Straßennetze, Wasserversorgung- und Abwasserentsorgungsinfrastruktur. Daher amortisieren sich Finanzierungsprojekte in diesem Bereich nur über einen längerfristigen Zeitraum.
Multilaterale Entwicklungsbanken
Laut OECD finanzierte die chinesische Regierung die Neue Seidenstraße bislang vorwiegend mithilfe der größten chinesischen staatlichen Geschäftsbanken, wie zum Beispiel der China Exim Bank, der chinesischen Entwicklungsbank sowie der Industriellen und Kommerziellen Bank von China. Diese chinesischen Staatsbanken können große, für dieses Mammutprojekt benötigte Finanzsummen bereitstellen. Dennoch birgt die Finanzierung über die chinesischen staatlichen Geschäftsbanken Risiken, weil diese einen hohen Anteil an faulen, damit nicht-rückzahlbaren Krediten in ihrem Portfolio haben.
Darüber hinaus hat die chinesische Regierung im Dezember 2014 zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten den Seidenstraßen-Fonds (New Silk Road Fund) gegründet. Zudem hat sie im Jahr 2015 als Hauptanteilseigner mit rund 30 Prozent des Eigenkapitals die Asiatische Infrastruktur- und Investitionsbank (Asian Infrastructure Investment Bank, AIIB) ins Leben gerufen. Weiterhin ist China zusammen mit Brasilien, Russland, Indien und Südafrika einer der fünf Anteilseigner der Neuen Entwicklungsbank (New Development Bank, NDB), die ebenfalls 2015 ihre Arbeit aufnahm. Infrastrukturvorhaben sind Schwerpunkte dieser beiden multilateralen Entwicklungsbanken.
Bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten übernehmen die multilateralen Entwicklungsbanken (Multilateral Development Banks, MDBs) eine einzigartige und unverzichtbare Rolle, weil diese für die speziellen finanziellen Anforderungen von Infrastrukturinvestitionen komparative Vorteile aufweisen. Die MDBs verknüpfen bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten finanzielle Ressourcen mit Fachwissen und Regionalkenntnissen. Zudem können die MDBs zu günstigen Konditionen langfristige finanzielle Ressourcen anbieten. Private Geschäftsbanken hingegen sind aufgrund der hohen Risiken bei Infrastrukturvorhaben kaum oder nur zu Marktkonditionen bereit, Finanzierungsmittel anzubieten. In den asiatischen Entwicklungsländern finanzieren die MDBs laut ADB bereits 2,5 Prozent der Infrastrukturprojekte. Lässt man China und Indien außen vor, steigen die Finanzierungsanteile der MDBs bei Infrastrukturprojekten in diesen Ländern auf mehr als zehn Prozent. Insbesondere die ADB spielte in Asien dabei bisher eine wichtige Rolle. In Zukunft will sie ihre Ausgaben für Infrastrukturprojekte bis 2020 um 50 Prozent erhöhen, von 14 im Jahr 2014 auf mehr als 20 Milliarden US-Dollar in 2020.
Ähnlich wie die ADB richten auch die zwei neuen multilateralen Entwicklungsbanken, die AIIB und die NDB, ihren Fokus auf Infrastrukturfinanzierung. Somit werden sie dazu beitragen, diese Finanzierungslücke für Infrastrukturvorhaben in Entwicklungs- und Schwellenländern zu schließen. Auch wenn ihr aktueller Finanzierungsumfang für Infrastrukturprojekte verglichen mit der ADB noch relativ gering ist, bieten sie doch großes Investitionspotenzial für die betroffenen Regionen. Ihr derzeitiges Eigenkapital in Höhe von 150 Milliarden US-Dollar entspricht etwa dem der ADB (151 Milliarden US-Dollar, 2017). Zusätzlich werden die beiden neuen MDBs Co-Finanzierungsmöglichkeiten mit nationalen Entwicklungsbanken und anderen MDBs wahrnehmen. Die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben in den beteiligten Ländern der Neuen Seidenstraße durch die neuen multilateralen Entwicklungsbanken ist aber auch mit einigen Risiken verbunden. So ist es zum Beispiel fraglich, ob die neuen durch China dominierten MDBs tatsächlich adäquate Umwelt- und Sozialstandards einhalten.
Insgesamt trägt die Bereitstellung von enormen chinesischen Finanzressourcen für Infrastrukturvorhaben einerseits zur Schließung der Infrastrukturlücke in den beteiligten Ländern bei. Andererseits sollte gerade die Fremdfinanzierung von Infrastrukturprojekten durch andere Länder kritisch bewertet werden. Wenn andere Länder Eigentumsrechte durch Investitionen in Infrastrukturvorhaben erwerben, dann können diese erheblichen ökonomischen Einfluss ausüben. Es bleibt zu hoffen, dass alle beteiligten Länder gleichermaßen von der Neuen Seidenstraße profitieren.
Über die Autorin:
Dr. Kathrin Berensmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprogramm "Transformation der Wirtschafts- und Sozialsysteme" am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).