Die OECD-Daten zeigen, dass die in Aussicht gestellte Steigerung der Finanzmittel zur Erreichung der SDGs bisher nicht eingetreten ist. Im Gegenteil: Die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit stagniert, ausländische Direktinvestitionen und private Kredite nehmen ab, lediglich die Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten nehmen stetig zu – auf gut 500 Milliarden US-Dollar (2018), also etwa das Dreifache der Entwicklungszusammenarbeit der OECD-Länder.

Die UN beklagt, dass der notwendige Wandel des globalen Finanzsystems weg von kurzfristigen Finanzanlagen und hin zu langfristiger Finanzierung von nachhaltigen Investitionen kaum vorankommt. Trotz großer Publizität von neuen Instrumenten wie Green Bonds, Impact Investments und nachhaltigen Finanzanlagen wird ein zu großer Teil des Kapitals auf den globalen Finanzmärkten weiter in nicht-nachhaltige Verwendungen investiert. Von den geschätzten 200 Billionen US-Dollar, die auf den globalen Finanzmärkten bewegt werden, fließt nur ein sehr kleiner Teil in explizit ausgewiesene nachhaltige Investitionen und ein noch kleinerer Teil in Entwicklungsländer.

Der IWF weist in seiner Studie zur SDG-Finanzierung schließlich darauf hin, dass die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungsinvestitionen eher ab- als zunehmen: Der Anteil öffentlicher Investitionen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Entwicklungsländern ist – unter Berücksichtigung von Abschreibungen auf den öffentlichen Kapitalstock – von circa drei Prozent in den 1990er-Jahren auf weniger als ein Prozent 2018 gesunken. Gründe dafür sind die steigenden Ausgaben der Länder, zum Beispiel für Nahrungsmittel- und Energiesubventionen, und neuerdings auch wieder für den Schuldendienst.
Länder mit mittlerem Einkommen, wie zum Beispiel Indonesien, könnten die SDG-Finanzierungslücke – der IWF schätzt sie in dieser Ländergruppe auf etwa vier Prozent des BIP – grundsätzlich aus eigenen Mitteln aufbringen, wenn sie ihre Steuereinnahmen entsprechend erhöhen. Länder mit niedrigem Einkommen, wie zum Beispiel Ruanda, werden dies nicht schaffen. Bei ihnen beträgt die Finanzierungslücke circa 15 Prozent des BIP und kann nur mithilfe zusätzlicher externer Finanzierung geschlossen werden.
Stichwort: blending
Oft wird private Finanzierung als Ausweg aus der öffentlichen Finanzklemme gesehen. Mithilfe von öffentlichen Subventionen soll unter dem Stichwort „blending“ mehr privates Kapital für Entwicklungsinvestitionen mobilisiert werden. Die multilateralen Entwicklungsbanken haben zur Finanzierung der SDGs einen Strategiewechsel zugunsten dieses Finanzierungsmodells eingeleitet. Sie unternehmen große Anstrengungen, Infrastruktur in Entwicklungsländern verstärkt mithilfe privaten Kapitals zu finanzieren. Die Ergebnisse sind bisher bescheiden. Lediglich in der Energieerzeugung und im Transportsektor spielt privates Kapital eine nennenswerte Rolle.
In anderen Bereichen (zum Beispiel im Wasser- und Abwassersektor, der Abfallbeseitigung sowie im Bildungs- und Gesundheitssektor) bleiben private Finanzierungsmodelle die Ausnahme. Hier geht es nicht ohne öffentliche Mittel. Aber auch die öffentliche Schuldenaufnahme stößt an Grenzen. Die multilateralen und bilateralen Entwicklungsbanken und Exportkreditagenturen, die mit öffentlichen Mitteln Investitionen finanzieren, auch die aus China, haben aber im Wesentlichen nur Devisenkredite anzubieten. Viele Länder stoßen daher an die Grenze der Verschuldungsfähigkeit.
Deshalb ist der Hinweis des IWF auf die vorhandenen Spielräume zur Mobilisierung von inländischen Ressourcen in Ländern mit mittlerem Einkommen eine gute Nachricht. Die Steuereinnahmen sind zwar in vielen Ländern auf lange Sicht bereits gestiegen, ihr Anteil am BIP liegt aber in vielen Entwicklungsländern eher bei zehn als bei 20 Prozent – viel zu wenig, um die notwendigen öffentlichen Leistungen in nachhaltige Infrastruktur, Gesundheit und Bildung zu finanzieren.
Die Erhöhung der Staatseinnahmen durch eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen in Ländern mit mittlerem Einkommen ist auch deshalb angezeigt, weil die Einkommens- und Vermögensverteilung in diesen Ländern sich – wie auch in vielen Industrieländern – stetig zugunsten der Oberschichten verschiebt. Das Nachhaltigkeitsziel Nr. 10 „Ungleichheit innerhalb von und zwischen Staaten verringern“ verlangt indessen genau das Gegenteil. Die Besteuerung von Kapitalgewinnen und die progressive Besteuerung von Einkommen ist eine Möglichkeit, um der wachsenden Ungleichheit entgegenzusteuern.
Was folgt daraus?
Die SDG-Finanzierung in Entwicklungsländern kann nicht überwiegend dem Privatsektor oder der Finanzierung durch Kredite überantwortet werden. Die öffentlichen Haushalte müssen stärker in den Fokus gerückt werden. Angesichts der massiven und oft unversteuerten privaten Vermögenszuwächse, vor allem in der Gruppe der Länder mit mittlerem Einkommen, ist eine stärkere Beteiligung der Mittel- und Oberschichten an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben notwendig. Die internationale Kooperation zur Bekämpfung der Steuervermeidung und Steuerflucht war bisher wenig erfolgreich. Steueroasen, eine ungebremste Steuervermeidungsindustrie aus Banken und spezialisierten Anwaltskanzleien sowie eine unvollkommene Besteuerung international agierender Unternehmen, verlangen größere Anstrengungen und kollektives Handeln. Nur so können die öffentlichen Einnahmen den Anforderungen der SDG-Finanzierung gerecht werden.
Private Finanzierungen eignen sich besser für fortgeschrittene Länder. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass private Finanzinstitutionen die Risiken in Entwicklungsländern trotz öffentlicher Anreize scheuen. Der Subventionsbedarf über blending-Mechanismen ist oft hoch und im Einzelfall schwer kalkulierbar. Der größte Teil der genannten 200 Billionen US-Dollar auf den globalen Kapitalmärkten wird weiterhin in den fortgeschrittenen Ländern investiert werden. Findet dies auf die herkömmliche Weise statt, dann steht indes die SDG-Finanzierung ebenfalls infrage. Eine Reihe von Zentralbanken hat bereits die systemischen Risiken nicht-nachhaltiger privater Finanzanlagen erkannt und verlangt mehr Risiko-Transparenz von Banken und Großunternehmen. In der Privatwirtschaft, angefangen bei den großen Versicherungen, zeichnet sich ein rascher Strategiewandel zugunsten nachhaltiger Investitionen ab. Große Finanzfirmen wie etwa BlackRock nehmen Nachhaltigkeit ernster, werden aber weiterhin vom kurzfristigen Renditezwang getrieben. Die EU-Kommission hat einen Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzsystem in Europa verabschiedet, um auf den Märkten Standards für nachhaltiges Investieren zu verankern.
Beides, die öffentlichen Einnahmen und die Nachhaltigkeit des Finanzsystems, ist wichtig für die Finanzierung der SDGs. Auf beiden Feldern muss jetzt von business as usual auf Transformation umgeschaltet werden.
Über den Autor:
Dr. Peter Wolff ist Ökonom mit dem Schwerpunkt Entwicklungsfinanzierung und Assoziierter Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE).
Studien:
- Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD), Global Outlook on Financing for Sustainable Development (2019)
- United Nations, Financing for Sustainable Development Report 2019
- International Monetary Fund (IMF), Fiscal Policy and Development: Human, Social, and Physical Investments for the SDGs, 2019