Business & TrendsDigitalisierung Afrikas

Während die führenden Wirtschaftsnationen um die digitale Vorherrschaft ringen und sowohl Soft- als auch Hardware zu nationalen Interessen erklären, ist es für die afrikanischen Länder und den Kontinent als Ganzes von großer Bedeutung, ihre Stimmen auf der internationalen Bühne zu erheben.

Die Afrikanische Union hat eine eigene Strategie zur digitalen Transformation Afrikas für den Zeitraum 2020-2030 entwickelt. Die Strategie skizziert Visionen und vorrangige Bereiche der digitalen Politik des Kontinents. Das Ziel: Die Digitalisierung als Instrument zu nutzen, um die Agenda 2063 der Afrikanischen Union umzusetzen, die – als langfristige Entwicklungsstrategie – eine integrierte, wohlhabende und friedliche afrikanische Gemeinschaft bis zum Jahr 2063 schaffen will, basierend auf Inklusivität und nachhaltigem Wachstum.

Hoffnung auf erfolgreiche Transformation

Die Afrikanische Union mit ihren 55 Mitgliedstaaten betont die enge Verbindung zwischen digitalen Technologien, Wissenschaft, Innovation und deren Rolle bei der Förderung der Industrialisierung und Umsetzung der Afrikanischen Kontinentalen Freihandelszone. Die Strategie sieht in der Digitalisierung auch das Potential, drängende Entwicklungsprobleme wie Armut, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit effizient zu bewältigen. Insbesondere soll sie zum nachhaltigen Wirtschaftswachstum beitragen, indem sie neue Wertschöpfungsketten erschließt, Inklusion fördert und effizienzsteigernd wirkt. Die Kombination aus einer jungen Bevölkerung und der zunehmenden Verbreitung von Mobilfunk und Internet gibt Anlass zur Hoffnung, dass die digitale Transformation Früchte tragen wird.

Herausforderungen

Afrika verfügt über ein enormes Innovations- und Wachstumspotenzial. Unternehmensnetzwerke wie Endeavor, aber auch Google schätzen Afrikas digitale Wirtschaft auf 115 Milliarden Dollar und gehen davon aus, dass dieser Wert bis 2050 auf 712 Milliarden Dollar ansteigen wird. Dies macht sich auch beim Zugang bemerkbar. So verfügen 88% des Kontinents über eine Mobilfunkabdeckung. Gleichzeitig steht die Region vor großen infrastrukturellen und regulatorischen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, damit der Kontinent von der sogenannten digitalen Dividende profitieren kann. Eklatante Unterschiede in Bezug auf die positiven Auswirkungen der digitalen Transformation existieren weiterhin zwischen ländlichen und städtischen Regionen, aber auch zwischen Geschlechtern.

USA, China, EU

Unterdessen kann Afrika auf der Suche nach geeigneten Partnern den geopolitischen digitalen Wettbewerb für sich nutzen und von einer Vielzahl von Angeboten profitieren, muss aber gleichzeitig seinen eigenen Weg in die digitale Zukunft finden, der den Herausforderungen und Bedarfen des Kontinents gerecht wird, seine Datensouveränität wahrt und gleichzeitig zur globalen Integration beiträgt, auf der letztlich der Erfolg der digitalen Wirtschaft beruht. Unter den führenden Volkswirtschaften verfolgen die USA, China und die EU gegensätzliche Ansätze der digitalen Governance. Die USA stehen für eine liberale, unternehmensorientierte Haltung, die von Kritikern mit den Praktiken des Überwachungskapitalismus (surveillance capitalism) in Verbindung gebracht wird. Die Unternehmen des Silicon Valley haben dieses innovationsfreundliche Umfeld genutzt, um in vielen Bereichen eine globale Vormachtstellung zu erlangen. China verfolgt ein Modell, das auf staatlich gelenkter Technologie und Überwachung in Verbindung mit massiven Investitionen in die Infrastruktur beruht.

Europa als dritter Weg

Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben zwar viele der Grundlagen für die digitale Revolution gelegt, kämpfen aber mit dem Aufbau eines vergleichbaren digitalen Ökosystems. Als Reaktion auf diesen vermeintlichen Wettbewerbsnachteil betont Europa vor allem seine Stärken in den Bereichen Regulierung und Datenschutz. Mit dem Versprechen einer digitalen Transformation, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, bietet sich Europa als Partnerin für all jene Staaten an, die einen sogenannten dritten Weg in das fortschreitende digitale Zeitalter gehen wollen. Dazu gehört ein solider und effektiver Rechtsrahmen, bei dem der Schutz der Privatsphäre des Einzelnen im Vordergrund steht. Durch eine ausgewogene Kombination aus Regulierung, Harmonisierung und gezielten Investitionsoffensiven, sowohl im Bereich der Infrastruktur als auch der Privatsektorförderung, kann die EU zu einem verlässlichen Partner für Afrikas digitale Transformation werden. Entscheidend ist dabei, dass die Union paternalistische Verhaltensmuster vermeidet und ihre finanziellen Zusagen mit einer zügigen und zielgerichteten Umsetzung flankiert. Dazu gehört auch eine transparente Kommunikation der Eigeninteressen aller Partner.

Von Europa beeinflusst

Afrika steht bereits unter starkem Einfluss der europäischen Normsetzung im digitalen Bereich. Sowohl das Übereinkommen Nr. 108 des Europarats – ein 1981 verabschiedetes internationales Abkommen zum Schutz der Privatsphäre –, als auch die EU-Datenschutzrichtlinie von 1995, welches als wichtiges Datenschutzgesetz die Datenschutzstandards der Europäischen Union harmonisierte und grundlegende Datenschutzprinzipien festlegte, und noch mehr die Datenschutzgrundverordnung von 2016 haben Regulierungsabkommen in Afrika stark beeinflusst.

Globale Standards

Diese Externalisierung europäischen Rechts ist Ausdruck des erklärten Ziels der Europäischen Kommission, das europäische Modell zur Inspiration für viele Partner in der Welt zu machen. In der Mitteilung zur Gestaltung der digitalen Zukunft Europas stellt die Kommission fest, dass „die EU ihre Regelungsbefugnisse, ihre gewachsenen industriellen und technologischen Kapazitäten, ihre diplomatischen Stärken und ihre externen Finanzierungsinstrumente nutzen (will), um den europäischen Ansatz voranzubringen und die weltweite Interaktion mitzugestalten“. Dies bedeutet nichts weniger als das Streben nach der Rolle eines globalen Standardsetzers.

Marktvorteile

Eine Harmonisierung der internationalen Datengovernance nach europäischem Vorbild bringt erhebliche Markt- und Zugangsvorteile mit sich. Gemäß der DSGVO dürfen personenbezogene Daten nur in Länder übertragen werden, die von der Europäischen Kommission als „adäquat“ hinsichtlich des Datenschutzniveaus eingestuft wurden. Ein Land, das als „adäquat“ gilt, hat vergleichbare Datenschutzstandards und -praktiken wie die EU. Es bietet somit ausreichenden Schutz für personenbezogene Daten. Ein solches Siegel würde zum Beispiel die Verarbeitung europäischer Kundendaten in einem afrikanischen Partnerland erlauben.

Afrikanischer digitaler Binnenmarkt

Im weiteren Sinne geht es um die Beeinflussung von Verhaltens- und Wirtschaftsformen. Es überrascht nicht, dass die EU eine der stärksten Befürworterinnen eines afrikanischen digitalen Binnenmarktes ist. Afrika kann vom Angebot der EU profitieren. Regulatorische Harmonisierung erleichtert den freien Datenfluss, senkt Transaktionskosten und trägt so zu Wachstum und Wohlstand bei. Gleichzeitig ist eine direkte Übersetzung europäischer Standards nicht immer die optimale Antwort auf die Herausforderungen, die sich aus dem spezifischen afrikanischen Kontext ergeben. Trotz der antizipierten Vorteile kann eine „Überregulierung“ auch negative Konsequenzen haben. So wird von afrikanischer Unternehmerseite zum Teil bereits beklagt, dass eine zu strenge Regulierung Innovationen eher hemmt als fördert.

Infrastrukturmaßnahmen

Darüber hinaus reicht die Übernahme von Standards allein nicht aus, um einen fairen und wirtschaftsfreundlichen digitalen Wandel herbeizuführen, insbesondere jetzt, da die meisten afrikanischen Länder Datenschutzgesetze erlassen haben. Ein noch größeres Augenmerk muss auf die Umsetzung und Durchsetzung der bestehenden Gesetze gelegt werden. Letztlich wird aber auch das europäische Angebot nur funktionieren, wenn es von den notwendigen Investitionen und Infrastrukturmaßnahmen begleitet wird. Trilaterale Kooperationen zwischen den USA, Afrika und Europa können hier ein Weg in die richtige Richtung sein.

Win-Win-Partnerschaft

Wenn beide Partner ein echtes Interesse an der Vertiefung ihrer Beziehungen haben, ist es für Europa und Afrika von großer Bedeutung, klare Schwerpunkte für ihre Zusammenarbeit zu identifizieren, um tatsächlichen Mehrwert zu erzielen. Die EU sollte hierbei auch Angebote machen, die Afrika als gleichwertigen Partner betrachten und nicht allein im Kontext des industriellen und geopolitischen Wettbewerbs mit China und den USA sehen. Es ist entscheidend, eine partnerschaftliche Herangehensweise zu fördern, die auf gegenseitigem Nutzen und gemeinsamen Zielen basiert. Nur so kann eine nachhaltige und zukunftsweisende Kooperation zwischen Europa und Afrika entstehen.

Text Dr. Benedikt Erforth