Herr Erster Bürgermeister, in Hamburg darf man an allen Sonnabenden im November kostenlos mit S-Bahn, U-Bahn und Bus fahren. Ist das ein Modell für die Zukunft?

Dies ist eine Sonderaktion im Hamburger Verkehrsverbund HVV, um die Senkung der Mehrwertsteuer an die Bürgerinnen und Bürger weiterzugeben. Ein Modell für die Zukunft ist das nicht, aber es gibt andere Angebote, die in dieselbe Richtung zielen: Wer ein HVV-Abo hat, kann zum Beispiel an allen Wochenenden im Jahr einen Erwachsenen und drei Kinder kostenlos mitnehmen. Der Öffentliche Nahverkehr ist in Großstädten wie Hamburg die schnellste und neben dem Radverkehr die umweltfreundlichste Form der Mobilität.

Wie sehen allgemein die neuen Mobilitätskonzepte für die Weltstadt Hamburg aus?
In einer Metropole wie Hamburg sind schienengebundene Schnellbahnen das leistungsfähigste Verkehrsmittel. Sie haben hohe Transportkapazitäten, verlaufen im Zentrum überwiegend unterirdisch und entlasten damit den begrenzten oberirdischen Straßenraum. Deshalb bauen wir in dieser Dekade drei neue U- und S-Bahn-Linien, verlängern bestehende Strecken und verdichten das Netz an Schnellbahn-Stationen. Auch das Angebot an Busverbindungen wird schrittweise ausgebaut.
„Die U- und S-Bahnen fahren schon heute mit 100 Prozent Ökostrom“
Das öffentliche Nahverkehrsangebot und das Radwegenetz sollen so komfortabel werden, dass es zu jeder Zeit auch ohne Auto möglich ist, sicher, pünktlich und komfortabel ans Ziel zu kommen. Zugleich fördern wir die E-Mobilität, um Lärm und Luftschadstoffe zu verringern: Die U- und S-Bahnen fahren schon heute mit 100 Prozent Ökostrom, und seit diesem Jahr beschaffen wir nur noch emissionsfreie Busse, die ebenfalls mit grünem Strom betrieben werden. Um die Mobilität in der Großstadt weiter zu verbessern, erproben wir neue innovative Verkehrsangebote wie selbstfahrende Quartiersbusse und On-Demand Shuttles und entwickeln digitale Systeme zur besseren Verkehrslenkung, Koordinierung von Baustellen und Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger.
Der Seeverkehr ist eine tragende Säule der europäischen Wirtschaft: Etwa 90 Prozent des EU-Außenhandels und rund 40 Prozent des innereuropäischen Warenverkehrs werden über den Seeweg abgewickelt. Welche Herausforderungen kommen auf Hamburgs Hafen im Zuge der Umsetzung des europäischen „Green Deal“ zu?
Die maritime Logistik ist eine Zukunftsbranche. Im weltweiten Warenverkehr ist der Seeweg die wirtschaftlichste und zugleich klimafreundlichste Transportart. Mit dem Einsatz von Flüssiggas LNG statt des bisher üblichen Schweröls kann die Schifffahrt in den kommenden Jahren noch sauberer werden. LNG verursacht bis zu 25 Prozent weniger CO2, bis zu 90 Prozent weniger Stickoxid und nahezu keine Feinstaub- und Partikelemissionen. Mit Power-to-gas-Verfahren kann es zudem als klimaneutraler Kraftstoff aus Wasser und Ökostrom hergestellt werden. Durch den Einsatz von Landstrom werden auch die Häfen sauberer. In Hamburg rüsten wir bis 2022 alle Kreuzfahrtterminals und drei von vier großen Container-Terminals mit Landstromtechnik aus. Der Container-Terminal Altenwerder ist schon heute der einzige zertifizierte klimaneutrale Containerterminal weltweit.
„Im weltweiten Warenverkehr ist der Seeweg die wirtschaftlichste und zugleich klimafreundlichste Transportart“
Die Hamburg Port Authority (HPA) hat das internationale Netzwerk „chainPORT“ ins Leben gerufen. Welche Akteure vernetzen sich hier?
„chainPORT“ ist eine Partnerschaft von weltweit führenden Häfen, um gemeinsame Strategien und Konzepte in den Bereichen Digitalisierung, Klimaschutz und Vernetzung zu entwickeln. Es wurde von Hamburg und Los Angeles gegründet und zählt heute 13 Mitglieder, darunter die Häfen von Shanghai, Singapur und Antwerpen. Die Häfen sollten in einem internationalen Netz analog und digital besser kooperieren. Die gemeinsame Nutzung intelligenter Systeme und Daten führt zu höherer Effizienz und ermöglicht eine nachhaltige maritime Logistik.
In naher Zukunft könnten bald Drohnen um die Elbphilharmonie kreisen. Können Sie uns etwas über die aktuellen Planungen zum Drohnenverkehr verraten?
Drohnen kommen in Hamburg bereits in vielen Bereichen zum Einsatz. Unsere Hafenverwaltung nutzt sie zum Beispiel, um Brücken zu inspizieren, die Hamburger Feuerwehr, um Brandherde zu finden. Im Pilotprojekt „Medifly Hamburg“ testen wir, ob sich Drohnen für den schnellen Transport medizinischer Güter wie Blutprodukte oder Gewebeproben zwischen Krankenhäusern eignen. Ein echter „Drohnenluftverkehr“ benötigt aber eine umfassende Verkehrsordnung wie für den Straßenverkehr. Im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums untersucht ein Hamburger Forschungsverbund unter der Federführung der Helmut-Schmidt-Universität seit dem Frühjahr, wie eine „Drohnenverkehrsordnung“ für eine Großstadt aussehen könnte.
INTERVIEW Enrico Blasnik