Handel China schafft größte Freihandelszone der Welt - Europa und USA stehen nur am Rand

Im Februar 2020 soll der Vertrag zur Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) von den zehn ASEAN-Länder Indonesien, Malaysia, Thailand, Philippinen, Vietnam, Myanmar, Brunei, Laos, Kambodscha und Singapur sowie Japan, Südkorea, Australien, und Neuseeland unterzeichnet werden. Beschlossen wurde dies beim ASEAN-Gipfel am 4. November 2019 in Thailand. Auch Indien, das zurzeit noch zögert, könnte nach erfolgreichen Nachverhandlungen Unterzeichnerstaat und damit Teil des größten Freihandelspaktes im asiatisch-pazifischen Raum werden.

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EU-Handelskommissar Phil Hogan hat eine Schlüsselrolle bei den Verhandlungen mit den asiatischen Ländern sowie mit Australien und Neuseeland.

China nutzt handelspolitisches Machtvakuum

Die Verhandlungen zu RCEP wurden 2013 aufgenommen und sollen die bestehenden Freihandelsabkommen zwischen den ASEAN-Staaten und China, Japan, Indien, Südkorea, Australien und Neuseeland zusammenführen. Insbesondere China machte sich für die Verhandlungen stark, nicht zuletzt als Antwort auf die zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschrittenen Verhandlungen zur Transpazifischen Partnerschaft (TPP), die maßgeblich von den Vereinigten Staaten von Amerika 2006 unter der Bush-Regierung begonnen und unter der Obama-Regierung intensiviert wurden.

Mark Hauptmann MdB

Nachdem die Trump-Regierung das TPP-Abkommen 2017 begraben hatte, stößt nun China in das dadurch entstandene handelspolitische Machtvakuum in Asien-Pazifik. Und dies aus der Sicht der Volksrepublik äußerst erfolgreich, wie man an der Teilnahme der europäischen und deutschen Wertepartner Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland sieht. Auch wenn das Abkommen wenig über WTO-Verpflichtungen hinausgehen wird, hat RCEP entscheidende handelspolitische Bedeutung. Ein kurzer Blick auf die Dimensionen verdeutlicht dies: Der Freihandelspakt unter der Führung von China wird ein Drittel des Welthandels einschließen. Die Unterzeichnerstaaten umfassen außerdem fast die Hälfte der Weltbevölkerung und mehr als 30 Prozent des globalen BIP.

Hinzu kommt, dass China und seine geostrategischen Konkurrenten im Asien-Pazifik-Raum ohne jegliche US-amerikanische Beteiligung gemeinsam an einem zukunftsträchtigen Projekt arbeiten und damit handelspolitische Fakten schaffen. Einzig die indische Regierung lässt verlauten, sich wieder verstärkt auf Verhandlungen zu Freihandelsabkommen mit der EU und den USA konzentrieren zu wollen, könnte nach erfolgreichen Nachverhandlungen aber ebenfalls Teil der RCEP werden. Insbesondere wenn es China gelingen sollte, die indischen Sorgen um eine Vergrößerung des Handelsbilanzdefizits auszuräumen, wäre damit ein wichtiger Wertepartner Deutschlands und Europas in ein umfassendes Freihandelsabkommen mit der kommunistischen Volksrepublik eingebunden.

Nicht weniger, sondern mehr Asien

Es zeigt sich einmal mehr: Wo die USA sich aus Ihrer Rolle der Gestaltungsmacht zurückziehen, stoßen andere, zumeist autoritäre, Staaten in das jeweilige regionale Machtvakuum vor. Sei es die Türkei in Nordsyrien oder eben China in Asien.
Was bedeutet dies für Deutschland und Europa? Wir dürfen uns nicht aus Asien zurückziehen, sondern müssen uns umso stärker einbringen. Wir müssen gegenüber unseren asiatischen Partnern mehr Mut zu einem in die Zukunft gerichteten, konkreten Gestaltungswillen zeigen. Bemühungen um ein EU-ASEAN-Handelsabkommen und bilaterale Wirtschafts- und Handelsabkommen wie beispielsweise ein Investitionsschutzabkommen mit Indien sind ohne Frage anstrengend und ambitioniert. Aber sie sollten im deutschen und europäischen Interesse mehr Aufmerksamkeit erfahren bei den Entscheidungsträgern in unseren Regierungen und Parlamenten. Frische Impulse kann hierbei die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen setzen. In ihrer Europa-Rede im November betonte von der Leyen richtigerweise, dass Europa künftig global energischer auftreten und dabei „auch die Sprache der Macht lernen“ müsse. Zwar ist China ein wichtiger Handelspartner für Europa. Andererseits ist die EU aber auch der wichtigste Handelspartner für Peking.

Wir können und sollten also die Bedingungen beeinflussen, zu denen wir Geschäfte machen, und unser Gewicht als Handelsmacht in die Waagschale werfen. Eine Schlüsselrolle wird hierbei EU-Handelskommissar Phil Hogan zukommen. Zu seinen Aufgaben gehört es zum einen zu verhindern, dass Europa zu einem Spielball Chinas wird. Zum anderen darf er die Freihandelsabkommen mit asiatischen Ländern nicht aus dem Blick verlieren. Die Verhandlungen der EU mit Australien und Neuseeland sind auf einem guten Weg und müssen nun zügig erfolgreich abgeschlossen werden. Zudem brauchen die bis zuletzt stockenden Freihandelsverhandlungen mit Indien neuen Schwung. Mehr als jemals zuvor wird klar: Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Asien.

Über den Autor:

Mark Hauptmann  ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Er richtet jährlich den Deutsch-Asiatischen, Deutsch-Indischen und Deutsch-Japanischen Wirtschaftsdialog in Berlin aus, bei denen das Diplomatische Magazin Medienpartner ist.