IFAIR Grüner Wasserstoff – Eine Brücke zwischen Europa und Nordafrika?

Es ist keine Überraschung, dass die Europäische Kommission für das Erreichen ihrer ehrgeizigen Klimaziele insbesondere auf Wasserstoff setzt. Seit Langem schon werden in zahlreichen Studien und von vielen Fachleuten die Vorteile hervorgehoben, die eine auf Wasserstoff fußende Wirtschaft im Hinblick auf ein integriertes Energiesystem und die Volatilität der erneuerbaren Energien bieten würde. Wasserstoff lässt sich relativ einfach per PEM-Elektrolyse aus Wasser gewinnen und in Tanks ähnlich wie denen für Erdgas speichern. Kommen bei diesem Prozess erneuerbare Energien zum Einsatz, wird das Endprodukt als „grüner Wasserstoff“ bezeichnet, da bei der Herstellung keine Emissionen freigesetzt werden. Wasserstoff kann als Energieträger, aber auch als Speichermedium fungieren, und ist sozusagen ein „sauberer Alleskönner“.

Es ist jedoch schon jetzt sicher, dass Europa in Zukunft aufgrund seiner begrenzten Größe und der hohen Bevölkerungsdichte Wasserstoff importieren muss und wird. Der nächstgelegene denkbare Standort für die Großproduktion von grünem Wasserstoff und dessen Export nach Europa ist die Sahara und dort insbesondere der algerische und marokkanische Teil. Die größte Wüste der Erde bietet enorme Möglichkeiten. Denn wenn nur acht Prozent der Sahara mit Solaranlagen bedeckt wären, dann wäre der Weltenergiebedarf gedeckt.

Die Renaissance von Desertec

Obwohl die Idee, mithilfe von Solaranlagen in der Sahara Strom in großem Maßstab zu erzeugen, bereits vor rund zehn Jahren entstand, scheiterte das Projekt „Desertec“ zweimal, unter anderem an den Problemen des Transports und der Kosteneffizienz. Ein neu abgestimmtes Konzept, das vorsieht, die gewonnene Energie zur Erzeugung von Wasserstoff zu nutzen, verhilft dem Projekt derzeit jedoch zu einer Renaissance als Desertec 3.0. Einer der größten Unterschiede zu den ersten beiden Versionen dieses ehrgeizigen Projekts: Seit 2015 ist die Solarenergie ohne Subventionen voll wettbewerbsfähig geworden, der Preis liegt derzeit bei 1,7 ct/kWh und nähert sich somit der Ein-Cent-Schwelle. Außerdem könnte die bereits bestehende Infrastruktur, die derzeit für fossiles Erdgas genutzt wird, für den Export eingesetzt werden. Bereits heute kommen 13 Prozent des Erdgases und zehn Prozent des verbrauchten Öls in Europa aus Nordafrika. 60 Prozent der Öl- und 80 Prozent der Gasexporte Nordafrikas gehen nach Europa.

Wenn Nordafrika und Europa es schaffen, eine gemeinsame Wasserstoffstrategie zu entwickeln, dann werden potenziell beide Regionen davon profitieren. Aus Nordafrika importierter Wasserstoff könnte Europa in die Lage versetzen, sein Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, schneller und billiger zu erreichen. Darüber hinaus könnte eine gemeinsame europäisch-nordafrikanische Wasserstoffwirtschaft in den nordafrikanischen Ländern zu wirtschaftlicher Entwicklung, zukunftsorientierten Beschäftigungsmöglichkeiten und sozialer Stabilität führen, was im Gegenzug die Zahl der Wirtschaftsmigranten aus der Region nach Europa potenziell verringern könnte.

Es sieht nach einer Win-win-Situation für beide Seiten aus. Es ist daher keineswegs verwunderlich, dass viele nationale europäische Regierungen bereits Projekte und Initiativen verfolgen, die diesem Konzept entsprechen. Auch EU-Kommissar Frans Timmermans, der für die Umsetzung des Green Deal zuständig ist, hat sich bereits für eine Wasserstoffpartnerschaft mit nordafrikanischen Staaten ausgesprochen. Da perfekte Lösungen jedoch bekanntlich nicht existieren, muss sich erst noch zeigen, ob die Vision von günstigem, grünem Wasserstoff aus Nordafrika Wirklichkeit werden kann und ob Cyrus Smith mit seiner Prophezeiung tatsächlich Recht behalten sollte.

Über den Autor:

Eimen Hamedat hat Gesellschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Politikwissenschaft an der RWTH Aachen und RMIT University in Melbourne studiert. Er absolvierte Praktika im Europäischen Parlament in Brüssel und im Deutschen Bundestag. Aktuell ist er IFAIRs Co-Regionalleiter für den Mittleren Osten und Nordafrika.