Königs Kolumne Phyllis Omido und die Wut einer Mutter

Phyllis Omido ist gut gelaunt, als ich sie zum Gespräch treffe. Man sieht ihr nicht an, was sie durchgemacht hat. Wie oft sie verhaftet wurde. Wie oft sie verfolgt wurde. Wie oft sie mit dem Tod bedroht wurde. Wie sie bei Regierung und Behörden auf Ignoranz und Korruption stieß. Wie häufig ihr Sohn nur knapp Kidnappern entkam. Wie oft sie mit Gewalt, aber auch mit Geld zum Schweigen gebracht werden sollte. Sie lässt sich nicht anmerken, wie vorsichtig sie auch jetzt noch sein muss. Immerhin werden weltweit pro Jahr rund 200 Aktivisten wie sie ermordet.

Es begann mit den lebensgefährlichen Bleivergiftungen der Dorfbewohner von Owino Uhuru in Kenia, wo sich eine Recyclinganlage für Autobatterien angesiedelt hatte. Doch es geht nicht nur um die Bleischmelze in Omidos Heimat, es geht auch um die Ursachenbekämpfung der Flüchtlingsströme. „Wenn die Europäer etwas gegen den Flüchtlingsstrom aus Afrika tun wollen, sollten sie nicht länger der Verursacher der dortigen Probleme sein.“

Zur Vorsicht gehört, dass ihr Buch „Mit der Wut einer Mutter“ zuerst auf Deutsch erscheint. In Afrika scheint es noch nicht zumutbar. „Vielleicht nächstes Jahr. Wenn wir es auf Englisch veröffentlichen, dann müssen wir psychologisch auf die Gegenreaktionen aus Kenia vorbereitet sein“, erklärt sie mir im Gespräch.

„Die afrikanische Erin Brokovich“

Es gibt einen weiteren Grund, warum das Buch zuerst in Deutschland herauskommt. „Einer der Gründe ist, dass Deutschland eine sehr große Autoindustrie hat. Ohne Bleibatterie geht hier kaum ein Auto vom Band. Im Buch geht es um Autobatterien, die in Afrika recycelt werden. Daher ist es nicht nur eine kenianische Angelegenheit, sondern eine deutsche und eine globale.“ Als Widmung schrieb sie mir in ihr Buch, das soeben im Europa Verlag erschien, immer für die Natur einzustehen: „Dear Ewald, always 'speak up' for nature for all. Thank you.“

Sie sucht in Deutschland Verbündete. „Wenn wir die deutsche Öffentlichkeit dazu bekommen, die Autohersteller zur Verantwortung zu ziehen, dass ihre Endprodukte keine Menschen in Afrika töten, und wenn die deutsche Öffentlichkeit sich dieses Problems noch mehr bewusst wird, dann können wir es gemeinsam bekämpfen. Das wäre ein großer Gewinn.“
Phyllis Omido wollte nie Aktivistin werden. Geworden ist sie eine enorm wichtige. „In den ersten Jahren habe ich gar nicht akzeptiert, dass man mich eine Aktivistin nannte. Aber als ich zum ersten Mal verhaftet wurde, nur weil ich gesagt habe, dass etwas falsch läuft, und meine gesamte Gemeinde vor dem Gerichtsgebäude auf mich wartete, da habe ich erkannt, dass ich doch eine Aktivistin bin.“
Es war die Wut einer Mutter, deren Sohn durch Blei im Blut hochgradig vergiftet war, was sie zur führenden Umweltaktivistin Afrikas werden ließ. Oft wird sie „die afrikanische Erin Brockovich“ genannt, in Anlehnung an den Film über die amerikanische Umweltaktivistin, die erfolgreich gegen ein trinkwasserverseuchendes US-Energieunternehmen kämpft.

Ein Großteil des krankmachenden Bleis, das in Afrika ohne Rücksicht auf Umwelt und Menschen entsorgt wird, stammt von Altbatterien aus Europa.
Allein in Afrika werden 800.000 Tonnen Blei ohne Beachtung von Umweltauflagen recycelt. Ein Dutzend der Metal Refineries, der tödlichen Bleischmelzen, musste mittlerweile geschlossen werden. Sie kosteten zahlreiche Menschenleben, das Grundwasser bleibt noch lang verseucht.
Phyllis Omido schaffte es sogar, von den Vereinten Nationen Aufmerksamkeit und Unterstützung zu bekommen. Ihr Kampf hat sich gelohnt. Aber er ist noch nicht gewonnen.

Über den Autor:

Ewald König ist Chefredakteur bei korrespondenten.tv, einem Projekt des Berliner Korrespondentenbüros.