Für ihr kulturelles Erbe ist jedes EU-Mitgliedsland selbst verantwortlich. Dennoch fördert die Europäische Union Maßnahmen zur Erhaltung und zum Schutz des kulturellen Erbes, das von europäischer Bedeutung ist. Mit dem Stellvertretenden Generaldirektor (a.i.) bei der Europäischen Kommission Arturo Caballero Bassedas hat das Diplomatische Magazin über diese EU-Programme gesprochen.
DM: Herr Caballero Bassedas, warum fördert die EU Bräuche und Traditionen ihrer Mitgliedsstaaten?
Arturo Caballero Bassedas: Kulturelles Erbe gibt den Menschen das Gefühl von Identität und Zugehörigkeit. Das ist auch der Grund, warum das kulturelle Erbe in Zeiten von Konflikten zur Zielscheibe wird – wie wir kürzlich in der Ukraine gesehen haben. Das immaterielle Erbe ist das Privileg, das wir erben dürfen, und die Pflicht, es für künftige Generationen zu bewahren.
DM: Mit welchen Programmen fördert die EU kulturelles Erbe?
Arturo Caballero Bassedas: Die Erhaltung von Brauchtum und Traditionen ist ein zentrales Ziel des Programms Kreatives Europa, dem Flaggschiff der Kommission zur Förderung des Kultur- und Kreativsektors. Kreatives Europa will den Aufschwung des Sektors unterstützen und gleichzeitig seine Ökologisierung und Inklusion vorantreiben. Das Budget des aktuellen Programms Kreatives Europa, das den Zeitraum 2021-2027 abdeckt, wurde aufgestockt und hat damit deutlich mehr Unterstützung. Einige dieser Programme sind:
- Das Europäische Kulturerbe-Siegel. Damit werden Stätten, die eine wichtige Rolle in der Geschichte, Kultur und Entwicklung der Europäischen Union gespielt haben, hervorgehoben. Das Ziel des Europäischen Kulturerbe-Siegels: das Zugehörigkeitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zur Europäischen Union stärken und den interkulturellen Dialog fördern.
- Im Rahmen der Europäischen Tage des Denkmals veröffentlichen der Europarat und die Europäische Kommission jährlich Aufrufe zur Einreichung von Projekten, um Gemeinden zu unterstützen.
- Mit den European Heritage Awards / Europa Nostra Awards wurden im Jahr 2021 vierundzwanzig Initiativen und Persönlichkeiten aus 18 europäischen Ländern ausgezeichnet. Im Jahr 2022 wurden dreißig Kulturerbe- Initiativen aus 18 europäischen Ländern in einer Zeremonie in Prag mit dieser Auszeichnung geehrt.
- Die Europäischen Kooperationsprojekte (85 Kulturerbeprojekte) haben wir im Zeitraum 2021-2022 mit 47 Millionen Euro unterstützt.
- Vom neuen Programm Culture Moves Europe, das die grenzüberschreitende Mobilität von Künstlern und Kulturschaffenden im Rahmen von Creative Europe unterstützt, profitierten in diesem Jahr 1800 Kulturschaffende, davon 10,7 % aus dem Kulturerbe-Sektor.
- Horizont Europa, das EU-Forschungsprogramm mit einem Budget von 2,28 Milliarden Euro für Forschung und Innovation, unterstützt den Sektor ebenfalls, insbesondere durch das Neue Europäische Bauhaus – die Initiative, zielt darauf ab, eine nachhaltige und integrative Zukunft zu gestalten, indem sie Wissenschaft und Technologie mit Kunst und Kultur verbindet.
Durch einen speziellen Zielbereich, der sich auf das kulturelle Erbe und die Kultur- und Kreativwirtschaft konzentriert, möchte das Programm historische Stätten, Denkmäler, Sprachen, Bräuche und Traditionen schützen und fördern. Beispielsweise Forschungsarbeiten, die sich mit dem Einfluss von Traditionen, Werten und Überzeugungen auf die europäischen Gesellschaften und die Politik des 21. Jahrhunderts befassen. Darüber hinaus zielt die Forschung darauf ab, lokale Sprachen als Träger mündlicher Ausdrucksformen und Traditionen zu stärken, traditionelles Handwerk wiederzubeleben, aufzuwerten und zu fördern, traditionelle Künste zu stärken und europäische Kunst, Kultur und Traditionen in Europa und im Ausland zu fördern. Die Forschung fördert und bewahrt Sitten und Gebräuche auch durch Projekte wie das des Kulturtourismus in ländlichen und abgelegenen Gebieten.
- Kohäsionsfonds: Für den Zeitraum 2021-2027 sind 5 Milliarden Euro an EU-Mitteln für die Förderung von Kultur und Kulturerbe vorgesehen.
- Das Flaggschiffprogramm Erasmus+ legt den Schwerpunkt auf Jugend, Kompetenzen und Bildung. Allein im Jahr 2018, dem Europäischen Jahr des Kulturerbes, hat Erasmus+ fast 92 Millionen Euro für 965 Kooperations- und Mobilitätsprojekte zum Thema Kulturerbe bereitgestellt.
- Ein interessantes Projekt ist nach wie vor das Heritage- PRO-Projekt, das den Austausch bewährter Praktiken bei der Erhaltung des kulturellen Erbes zum Ziel hat.
- Im Mai 2023 wurde ein von der EU finanziertes Pilotprojekt ins Leben gerufen, um den European Heritage Hub zu gründen, ein großes, europaweites Kulturerbe-Projekt zur Unterstützung der grünen, sozialen und digitalen Transformation unserer Gesellschaft. Der European Heritage Hub wird zunächst bis April 2025 laufen.
DM: Wie hoch ist das Gesamt-Budget für all diese Programme?
Arturo Caballero Bassedas: Das Gesamtbudget für die oben genannten Programme beträgt 35,72 Milliarden.
Interview Marie Wildermann
Weitere Informationen findem Sie in dieser Broschüre: „Driving a green, digital & innovative European cultural heritage“ (https://op.europa.eu)