Interview„Mindestens tausendmal kleiner als ein Haar" - Faszination Nano

Faszination Nano

Viele Stoffe ändern ihre Eigenschaften, wenn sie in kleinste Partikel zerlegt werden. Oder reagieren leichter mit anderen Stoffen. Es gibt Materialien, die – in Nanoteilchen aufgespalten – wasser- oder schmutzabweisende Eigenschaften annehmen. Nur einige von vielen faszinierenden Aspekten der Nanotechnologie, die enormes Potential für die Industrie bietet, sagt Mario Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesforschungsministerium. Das Diplomatische Magazin hat mit ihm gesprochen.

DM: Herr Brandenburg, die Europäische Kommission bezeichnet die Nanotechnologie als Schlüsseltechnologie für künftiges Wirtschaftswachstum. Was macht diese Technologie so attraktiv?

Mario Brandenburg:
Die Nanotechnologie ist kein exakt eingrenzbares Technologiefeld, sondern ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Methoden und Konzepten, die sich den gezielten Einsatz kleinster Materiebausteine zunutze macht. Wir sprechen hier von Strukturen, die zwischen 1000 und 10.000 mal kleiner sind als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Auf dieser Größenskala treten erstaunliche Effekte auf, ohne die viele Technologien nicht möglich wären, wie die Entwicklung neuer, hocheffizienter Solarzellen oder die Entwicklung der Wasserstofftechnologie inkl. der Brennstoffzelle. Zudem können durch Nanotechnologie sehr viele Funktionen und Informationen auf sehr kleinem Raum untergebracht werden, sodass elektronische Bauteile und Computer immer kompakter und leistungsfähiger werden. Viele Hightech-Produkte wie Leuchtdioden, Smartphones, Supercomputer aber auch Medizinprodukte und bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie (MRT) würde es ohne Nanotechnologie gar nicht geben. Die Attraktivität der Nanotechnologie resultiert vor allem aus ihrem breiten Querschnittscharakter. Nahezu alle Technik- und Produktbereiche profitieren von der Nanotechnologie.

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DM: Nanomaterial birgt auch Gefahren für die Gesundheit und die Umwelt. Wie ist der derzeitige Stand der Wissenschaft in Bezug auf die Bewertung von Risiken der Nanotechnologie

Mario Brandenburg:
Wir als Forschungsministerium fördern eine Vielzahl an Projekten zur Materialsicherheitsforschung. Auf der Wissensplattform DaNa (www.nanopartikel.info) sind die Forschungsergebnisse dieser Projekte für die interessierte Öffentlichkeit aufbereitet. Beispielprojekte zeigen eindrucksvoll Methoden zur Risikobewertung und Entwicklungen von Messverfahren für Nanoteilchen in Organen oder in geringen Konzentrationen in der Umwelt. Wichtige Ergebnisse zur Sicherheit von Nanomaterialien wurden in langjährigen nationalen, europäischen und internationalen Forschungsprojekten unter Beteiligung von Forschungseinrichtungen, Bundesbehörden und der Industrie erarbeitet. Dabei konnte u.a. die Sicherheit im Umgang mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz, bei der Produktion, in Produkten und beim Recycling erforscht und verbessert werden. Mögliche Risiken von Nanomaterialien lassen sich heute deutlich besser erkennen, abschätzen und vermeiden. Materialinnovationen können so in Zukunft anwendungssicherer und umweltverträglicher gestaltet werden.

DM: Wie sehen die Empfehlungen aus? Wie soll man mit Nanomaterialien umgehen? Gibt es schon internationale Standards?

Mario Brandenburg:
Die Nanotechnologie bietet große Chancen für den Fortschritt. Diese sollten wir nutzen! Wichtig für einen sicheren Umgang mit Nanomaterialien ist es, genau zu erfassen, in welcher Form sie vorliegen und wie sie mit ihrer Umgebung in Kontakt treten. Ist beispielsweise eine feste Anbindung des Nanomaterials im Werkstoff oder im Bauteil gegeben? Oder ist das Nanomaterial frei beweglich? Internationale Standards zum sicheren Umgang mit Nanomaterialien werden seit rund 15 Jahren von der ISO und der OECD erarbeitet. Ebenso sind auf EU-Ebene bereits relevante Gesetze und Verordnungen (beispielsweise i.R. der EU-Chemikalienverordnung REACH) auf die spezifischen Besonderheiten von Nanomaterialien angepasst worden. Diese Prozesse sind noch nicht abgeschlossen, sondern werden entsprechend dem technologischen Wissensstand weitergeführt.

DM: Wie kann das Bundesforschungsministerium bzw. die Bundesregierung Unternehmen, auch KMU, im Bereich Nanotechnologie unterstützen?

Mario Brandenburg:
Die Nanotechnologie ist ein Teil vieler Forschungsfelder, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert. Ein besonders wichtiger Themenbereich hierfür ist die Materialforschung. Nanomaterialien wie Kohlenstoffnanoröhren, Graphen oder Quantenpunkte werden gezielt eingesetzt, um technische Produkte zu verbessern oder leistungsfähiger zu machen. Durch sie kann z. B. ein Werkstoff leichter und stabiler gemacht werden, um so Energie und Ressourcen beispielsweise bei der Elektromobilität einzusparen. Quantenpunkte machen Leuchtdioden leistungsfähiger oder ermöglichen es, durch Ankopplung an bestimmte Zielmoleküle Krankheitsherde im menschlichen Körper mit hoher Präzision zu erkennen. Daneben gibt es viele weitere Bereiche wie die Umwelttechnik, die Produktionstechnik oder die Quantentechnologien, die von der Nanotechnologie profitieren. In allen Technologiebereichen spielt nanotechnologisches Know-how eine wichtige Rolle und ist Bestandteil entsprechender Förderrichtlinien, die in der Regel auch KMU für eine Beteiligung offenstehen. Einige Fördermaßnahmen wie KMU-innovativ unterstützen zudem gezielt kleine und mittlere Unternehmen bei der Umsetzung innovativer Technologieentwicklungen.

DM: Herr Brandenburg, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Interview Marie Wildermann