Der EWR ist mehr als eine klassische Freihandelszone: Durch das 1992 in Porto geschlossene Übereinkommen gelten für Norwegen, Island und Liechtenstein dieselben Rechte und Pflichten des Binnenmarktes wie für die EU-Mitgliedstaaten. Dazu gehören die vier Grundfreiheiten, also Warenverkehrsfreiheit, Freizügigkeit, freier Kapitalverkehr und Dienstleistungsfreiheit, sowie Regeln zu Wettbewerb und Subventionen, Verbraucherschutz, Unternehmensrecht, Energie, Umwelt und Sozialpolitik. Das EWR-Abkommen erfasst nicht die gemeinsame Landwirtschafts- und Fischereipolitik, die Zollunion, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Wirtschafts- und Währungsunion sowie Justiz und innere Angelegenheiten – die drei EWR-Staaten sind aber auch Mitglieder des Schengen-Raums. Die 31, bald 30, Staaten sind der weltgrößte Binnenmarkt.
Der EWR ist nicht gleichzusetzen mit der Europäischen Freihandelsorganisation EFTA. Diese wurde bereits 1960 durch das EFTA-Abkommen gegründet. Zu den EFTA-Staaten gehören die EU-Mitgliedstaaten, die EWR-Staaten und die Schweiz. Die Schweizer hatten 1992 in einem Referendum gegen den Beitritt zum EWR gestimmt. Zwischen der EU und der Schweiz bestehen allerdings etliche bilaterale Abkommen, unter anderem in den Bereichen Freizügigkeit, Transport zu Land und in der Luft, Sicherheit und Justiz, Bildung, Forschung et cetera.
Die Verwaltung des EWR erfolgt in einem Zwei-Säulen-Modell zwischen der EU und den EWR-EFTA-Staaten. Entscheidungsträger sind gemeinsame EWR-Institutionen, die mit dem Abkommen über den EWR eingerichtet wurden, und die sich aus Repräsentanten seitens der EU und den EWR-EFTA-Staaten zusammensetzen. Die alltägliche Verwaltung obliegt den EWR-Staaten selbst, denn sie sind primär dafür verantwortlich, neue Regelungen sowie die Rechte und Pflichten aus dem Abkommen umzusetzen.
Frei bewegen, niederlassen und arbeiten
Die Mitgliedstaaten des EWR haben keinerlei Gesetzgebungskompetenzen auf die gemeinsamen Institutionen übertragen und sie können Beschlüsse der EU-Institutionen nicht direkt übernehmen.
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens des EWR haben die Premierminister von Island, Norwegen und Liechtenstein ein gemeinsames Statement veröffentlicht. Darin bekräftigen sie die gemeinsamen Werte von Demokratie, persönlicher Freiheit, Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit sowie der gemeinsamen Verpflichtung zu offenen Gesellschaften und offener Wirtschaft und dem Bestreben, ein friedliches und wirtschaftlich starkes Europa für kommende Generationen zu sichern. Die norwegische Premierministerin Erna Solberg betonte, wie wichtig es sei, das Vertrauen der Bürger in die europäische Zusammenarbeit zu fördern. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte bei den offiziellen Feierlichkeiten, der EWR sei eine langfristige Partnerschaft, in der alle ihren Beitrag leisteten und alle ihren Nutzen hätten. Auch die Premierminister der EWR-Staaten hoben die Vorteile der Gemeinschaft für ihre Länder hervor.
Über das EWR-Abkommen gelten viele Rechte, die die Unionsbürger haben, auch in Island, Norwegen und Liechtenstein. Dazu gehören die Verbraucherschutzrechte bei Fernabsatzverträgen, wie zum Beispiel das 14-tägige Widerrufsrecht, die Gültigkeit der Europäischen Krankenversicherungskarte (EHIC), der Wegfall von Roaming-Gebühren im Mobilfunk oder die Rechte von Flugpassagieren bei Verspätung, Flugausfall oder Nichtbeförderung. Zudem können sich die Bürger im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum frei bewegen, niederlassen und arbeiten.
Über die Autorin:
Dr. Béatrice Schütte studierte Jura in Hamburg und Bordeaux. Ihre Promotion schloss sie an der Universität Aarhus im Jahr 2014 ab. Ihre Hauptforschungsschwerpunkte sind Rechtsvergleichung, Haftungsrecht, Internationales Privatrecht und EU-Recht. Außerdem liebt sie Fremdsprachen.