Die Geschichte des Films ist eine faszinierende Reise durch 130 Jahre menschlicher Kreativität, technologischen Fortschritts und kulturellen Wandels. Sie beginnt 1895, als die Berliner Brüder Skladanowsky auf dem sogenannten „Bioskop“ ihren ersten Film zeigten. Oder waren doch die französischen Brüder Lumière die Erfinder des Kinos? Denn sie präsentierten ihre Errungenschaft fast zeitgleich auf dem sogenannten Cinématographen. Ihre Technik setzte sich durch und wurde die Grundlage für die moderne Kinematographie. Untrennbar verbunden mit der Entwicklung des Films von den Anfängen bis heute: Hollywood und Babelsberg.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Hollywood eine unscheinbare Siedlung an der Westküste der USA. 1903 wurde hier der erste bedeutende amerikanische Stummfilm, „The Great Train Robbery“ produziert, 1910 die erste Filmproduktion von der „Nestor Motion Picture Company“ aufgenommen - der Beginn von Hollywood als Filmstandort. In Babelsberg drehte 1912 Urban Gad den ersten Stummfilm Deutschlands: „Der Totentanz“ mit Asta Nielsen. „Studio Babelsberg“ entwickelte sich rasch zu einem Zentrum der Stummfilmproduktion. Es entstanden u.a. „Der Golem“ (1915), „Nosferatu“ (1922), „Metropolis“ (1927) – Filme in der Ästhetik des Expressionismus.

Hollywood
Die Welthauptstadt des Films hieß in den 1920er Jahren aber zunächst Hollywood. Noch waren die Filme stumm, Schauspieler erzählten mit intensiver Mimik die Handlung, so wie Charlie Chaplin, der Held des amerikanischen Stummfilmkinos.

UFA
1922 entwickelte die UFA (Universum-Film-Aktiengesellschaft) in Babelsberg ihr Studio zum innovativsten in Deutschland. Unter Erich Pommer entstanden Meisterwerke wie „Die Nibelungen“ (1922/24) von Fritz Lang. Alfred Hitchcock kam aus Hollywood, um in Babelsberg zu lernen. Doch die Ufa hatte sich finanziell verhoben und sah sich 1925 zu einem für sie ungünstigen Vertrag mit Metro-Goldwyn-Mayer und Paramount gezwungen. Schon 1926 warb Hollywood erfolgreich die Kreativen der Branche aus Babelsberg ab, unter ihnen Erich Pommer und Emil Jannings. Jannings erhielt den erstmals in Hollywood verliehenen Oscar 1929.

Tonfilm
Obwohl die ersten Tonfilme Mitte der zwanziger Jahre in Babelsberg entwickelt worden waren, kaufte Hollywood die deutschen Patente und brachte 1927 den ersten Tonfilm „The Jazz Singer“ (1927) heraus. Es war der Beginn einer völlig neuen Film-Ästhetik. In Babelsberg hieß der erste vertonte Spielfilm „Melodie des Herzens“ (1929) mit Willy Fritsch. Es folgten Unterhaltungsfilme und Filmoperetten. „Der blaue Engel“ (1930) von Josef von Sternberg mit Marlene Dietrich wurde ein sensationeller Erfolg. Der deutsche Film war auf dem Weg zum Weltruhm, Marlene Dietrich über Nacht ein Star. Und Babelsberg wurde zu einer echten Konkurrenz für Hollywood.

Nationalsozialismus in Deutschland
Alfred Hugenberg, Reichsminister unter Hitler, hatte die Ufa 1927 aus dem Vertrag mit den amerikanischen Film-Unternehmen freigekauft – der Beginn eines mächtigen Propaganda-Imperiums für die Nazis.1930 engagierte sich bereits der größte Teil des Ufa-Aufsichtsrates in der nationalsozialistischen Partei. Mit der Machtübernahme der Nazis 1933 war die Glanzzeit der Ufa vorbei. Jüdische Mitarbeiter wurden entlassen, Filmemacher und Stars der deutschen Filmproduktion verließen Deutschland, unter ihnen Fritz Lang, Erich Pommer, Billy Wilder, Robert Siodmak. Während Babelsberg NS-Propaganda und seichte Unterhaltung produzierte, profitierte Hollywood von diesem beispiellosen künstlerischen Braindrain und etablierte sich in den 1930er und 1940er Jahren als Zentrum der globalen Filmindustrie.

Goldenes Zeitalter in Hollywood
In den 1930er Jahren dominierten große Studios wie Paramount, Warner Bros. und 20th Century Fox die Filmproduktion in Hollywood. Es war die Zeit des Aufstiegs von Technicolor und der ersten vollständigen Farbfassung eines Films. 1939 gewann „Vom Winde verweht“ von Victor Fleming 10 Oscars, Clark Gable und Vivien Leigh wurden zu Ikonen des Kinos.

Zweiter Weltkrieg
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurden Linke und vermeintlich Linke in den USA zu neuen Feindbildern in der McCarthy Ära. Auch Filmkünstler in Hollywood waren betroffen, etliche verloren ihren Job. Charlie Chaplin konnte wegen seiner kritischen Haltung gegenüber dem Komitee 1952 nach einer Europareise nicht wieder zurück in die USA.

Kino in der DDR
Nach dem Krieg war Potsdam von der sowjetischen Militäradministration besetzt. Aus der UFA wurde DEFA (Deutsche Film AG, deutsch-sowjetische Aktiengesellschaft). Und die 1949 entstandene DDR kontrollierte und zensierte die Filmproduktion. Filmemacher wichen in Literaturverfilmungen aus. Oder verließen die DDR. Dennoch entstanden bis zum Fall der Mauer 1989 etliche legendäre Filme, die zu Klassikern der Filmgeschichte wurden, u.a.: Spur der Steine (1966), Die Legende von Paul und Paula (1973), Jakob der Lügner (1976), Solo Sunny (1980), Coming Out (1989).

Das „neue Hollywood“
Als das Fernsehen in den 1950er Jahren zum Massenmedium wurde, verlor das Kino dramatisch an Zuschauern. Abe es führte auch zu einem Wandel in der Filmproduktion und zur Entwicklung neuer Techniken. So beeindruckte beispielweise der Monumentalfilm „Ben Hur“ (1959) mit der technischen Umsetzung epischer Schlachtszenen. Er gewann 11 Oscars. In den 1960er und 1970er Jahren brachte das "Neue Hollywood" eine Welle innovativer Filmemacher hervor, darunter Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und Stanley Kubrick. Werke wie "Der Pate" (1972) und "Taxi Driver" (1976), experimentierten mit neuen Erzählformen und erweiterten die künstlerischen Möglichkeiten des Films.

Fall der Mauer in Berlin
Nach dem Fall der Mauer wurde es zunächst dunkel in Babelsberg, die Treuhandanstalt privatisierte die DDR-Staatsbetriebe. Nach diversen Eigentümerwechseln und nach schwierigen Anfangsjahren produzierte Babelsberg 1998 mit „Sonnenallee“ von Leander Haußmann zum ersten Mal wieder einen Erfolgsfilm.

Neuorientierung
Ab 2001 wurden zunehmend internationale Filme gedreht, u.a. Roman Polanskis „Der Pianist“, der mehrere Preise gewann, entstand hier, ebenso die Hollywood-Produktion „In 80 Tagen um die Welt“ von Frank Coraci. Telenovelas wie GZSZ entstanden und die Hollywood-Produktionen „V wie Vendetta“ und „Black Book“ von Paul Verhoeven. Der in Babelsberg produzierte Hollywood-Thriller „Der ewige Gärtner“ von Fernando Meirelles erhielt einen "Golden Globe“ und Babelsberg schloss einen Vertrag mit Hollywoodproduzent Joel Silver. Die Stadt Potsdam stellte 5 Hektar Fläche für die Erweiterung des Filmareals zur Verfügung, die Studios in Potsdam wurden modernisiert und erweitert und mit öffentlicher Förderung entwickelte sich Babelsberg zu einem modernen Zentrum für Digitale Medien, Film und TV, u.a. mit der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" und dem rbb.
Internationalisierung
Internationale Kinoproduktionen entstanden, u.a. „Der Vorleser“, „Operation Walküre“, „Inglourious Basterds“, „Grand Budapest Hotel“. Quentin Tarantino, Roman Polanski, George Clooney, Cate Blanchett, Tilda Swinton u.v.a. arbeiteten hier. Serien und Produktionen für Streamingdienste kamen nach Babelsberg. In den letzten 20 Jahren wurden Studio Babelsberg-Produktionen mit insgesamt 15 Oscars ausgezeichnet, u.a. für „Der Pianist“, „Die Fälscher“ und „Der Vorleser“. Seit 2023 ist Studio Babelsberg Teil des US-amerikanischen Unternehmens Cinespace Studios, das mit insgesamt 109 Studiohallen in Chicago, Toronto, Atlanta, Wilmington und Babelsberg einer der größten Studio- und Serviceanbieter für TV- und Filmproduktionen ist.
Digitalisierung und Streaming
Digitalisierung, neue Technologien wie Virtual Reality und Augmented Reality, sowie die Streaming-Dienste von Netflix, Amazon Prime Video und Disney+ haben die Filmindustrie weltweit tiefgreifend verändert. In Hollywood veränderten soziale Bewegungen wie "MeToo" und "Black Lives Matter" auch die Filminhalte. Und auch der internationale Markt ist in Bewegung. Die indische Filmindustrie gewann an Bedeutung. Filme, die in Hollywood produziert werden, erreichen die Kinos in China, Indien und anderen schnell wachsenden Märkten, mit Einfluss auf Produktion, Finanzierung und Inhalt von Filmen.
Babelsberg produzierte in fünf politischen Systemen – von der Kaiserzeit über die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus und die DDR bis zur Globalisierung in der heutigen Zeit. Es hat sich trotz der Wirrnisse des letzten Jahrhunderts an die Spitze zurückgekämpft und gehört heute wieder zu den Großen der Branche. Es ist wahrscheinlich, dass künftig nicht die Politik, sondern die tiefgreifenden Veränderungen durch die Künstliche Intelligenz die Filmindustrie nachhaltig verändern wird, mit Folgen für beide Standorte.
TEXT Marie Wildermann
Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung
Die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung verfügt über einen einzigartigen, kultur- und filmhistorisch herausragenden Bestand an Filmen von den Anfängen der Filmgeschichte bis zum Beginn der 1960er Jahre. Die Sammlung umfasst u.a. 2000 Stummfilme und 1000 Tonfilme (u.a. von Fritz Lang, Ernst Lubitsch und Friedrich Wilhelm Murnau, dem Namensgeber der Stiftung). Das Ziel der Murnau-Stiftung: dieses kulturelle Filmerbe zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. / The Friedrich Wilhelm Murnau Foundation has a unique collection of films from the beginnings of film history to the early 1960s. The collection comprises 2000 silent films and 1000 sound films (including films by Fritz Lang, Ernst Lubitsch and Friedrich Wilhelm Murnau, the foundation's namesake). The aim of the Murnau Foundation is to preserve this cultural heritage and make it accessible to the public.
Das Diplomatische Magazin dankt der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung für die Genehmigung zum Abdruck zahlreicher Fotos.
FILMMUSEUM POTSDAM
Einen guten Überblick über die Geschichte des Filmstandortes Babelsberg gibt die Dauerausstellung „Traumfabrik“ im Filmmuseum Potsdam. Die Begleitpublikation „100 Facts about Babelsberg – Wiege des Films und moderne Medienstadt“, herausgegeben vom Filmmuseum Potsdam, dt./.engl., 240 Seiten, 400 Abbildungen, ist im Museumsshop erhältlich.
Quellen: u.a. www.studiobabelsberg.com, www.filmmuseum-potsdam.de, stiftung-murnau.de