Die Weltgesundheitskonferenz World Health Summit, die im Oktober in Berlin stattfindet, möchte die Gesundheitsversorgung in den einzelnen Ländern weltweit verbessern. Sie orientiert sich an der Agenda der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN. Aber ist Gesundheit eine globale Angelegenheit? Sind nicht vielmehr die Defizite wie fehlende medizinische Versorgung oder verschmutztes Wasser eine Belange der Nationalstaaten? Darüber hat das Diplomatische Magazin mit dem Programmdirektor des World Health Summit Julian Kickbusch gesprochen.
DM: Herr Kickbusch, viele Defizite in der Gesundheitsversorgung einzelner Länder hängen mit der Infrastruktur in den Nationalstaaten zusammen. Ist ein World Health Summit das richtige Forum, um drängende Gesundheitsprobleme zu adressieren?
Julian Kickbusch: Ein zentraler Kern des World Health Summit ist, dass wir als unabhängiges Forum auf internationaler Ebene Akademiker und Wissenschaftler mit politischen Entscheidungsträgern auf UN Ebene an einen Tisch bringen. Wir binden zudem wichtige zivilgesellschaftliche Organisationen und den Privatsektor mit ein. Alle vier Bereiche, die auch manchmal Berührungsängste voreinander haben, zusammenzubringen – sowohl in unserem Hauptprogramm, als auch in vielen verschiedenen Side-Meetings im Rahmenprogramm – das ist ein wichtiges Anliegen des World Health Summit.
DM: Es sollen auch “G7 und G20 Maßnahmen zur Verbesserung der globalen Gesundheit” diskutiert werden. Was ist damit gemeint?
Julian Kickbusch: Im Programm des World Health Summit 2023 greifen wir zum Beispiel die zentralen Meetings der Vereinten Nationen auf. Zum einen das UN High Level Meeting zum wichtigen Thema Pandemie-Prävention oder das zu Universal Health Coverage, bei dem es um die Frage geht, wie weltweit ein gerechter Zugang zu Gesundheitsversorgung geschaffen werden kann.
Wir arbeiten auch eng mit Vertretern der G7/G20 Nationen zusammen, im vergangenen Jahr waren z.B. um die 30 Ministerinnen und Minister aus aller Welt beim Gesundheitsgipfel. In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass erst 2007 beim G7 Treffen in Heiligendamm – damals noch G8 – das Thema Globale Gesundheit erstmals überhaupt auf die Agenda gesetzt wurde. Übrigens auf Initiative der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das internationale akademische Netzwerk des World Health Summit, die M8 Alliance of Academic Health Centers, Universities and National Academies wurde damals nach dem Vorbild der politischen G8 gegründet, unterstützt von der Bundeskanzlerin und ihrem damaligen französischen Amtskollegen Nicolas Sarkozy. Über dieses Netzwerk können wir die Themen auch auf nationaler Ebene in die G7 und G 20 einbringen. Seit seiner Gründung steht der World Health Summit unter der Schirmherrschaft von Deutschland und Frankreich, später kam die Europäische Kommission hinzu und die Weltgesundheitsorganisation WHO.
DM: Was ist die M8 Alliance?
Julian Kickbusch: Die M8 Alliance ist unser wissenschaftliches Fundament und entstand 2009 anlässlich des ersten World Health Summit unter Führung der Charité mit dem Ziel, Gesundheit weltweit zu verbessern. Es ist ein internationaler Zusammenschluss exzellenter Universitäten und Forschungseinrichtungen und hat mittlerweile 28 Mitglieder in 20 Ländern. Das Thema Globale Gesundheit war damals beim ersten World Health Summit der breiten Öffentlichkeit so noch nicht bekannt, es wurde eher durch die medizinische Linse gesehen. Das hat sich mittlerweile geändert, nicht zuletzt auch durch den World Health Summit und die M8 Alliance. Globale Gesundheit beinhaltet weit mehr als nur medizinische Fragestellungen, es ist ein interdisziplinäres Thema. Wichtig sind auch soziale Faktoren, Bildung, der Klimawandel und viele weitere sektorenübergreifende Themen.
DM: Es soll beim World Health Summit auch um die Digitalisierung in Bezug auf globale Gesundheit gehen. Was muss man sich darunter vorstellen?
Julian Kickbusch: Digitalisierung ist ein zentrales Thema für die weltweite Gesundheitsversorgung mit enormen Chancen und natürlich auch Risiken. Es stellt sich bei digitaler Gesundheit ja immer die Frage, wie man mit Big Data umgeht. Datenschutz wird in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich gesehen. Darüber muss man sich austauschen. Wo sind Daten sinnvoll für effektive Gesundheitsstrategien, und wo gilt es, die Privatsphäre des Individuums zu wahren. Das muss mit vielen verschiedenen internationalen Stakeholdern aus allen Bereichen diskutiert werden. Ein anderes zentrales Thema ist die Frage, wie geht man mit den großen privaten Tech-Unternehmen wie Google und Youtube um, die zunehmend eine Rolle im Gesundheitsbereich spielen. Auch da gibt es viel Diskussionsbedarf.
DM: Auch auf der Agenda des World Health Summit: Lehren aus der Covid-Pandemie für künftige Pandemien. Welche Lehren sind das?
Julian Kickbusch: Da ziehen sehr viele Partner ganz verschiedene Lehren. Eines aber wurde ganz klar: Was überhaupt nicht funktioniert hat, ist, dass viele Organisationen und Regierungen, die sich vor der Pandemie als global Denkende und Handelnde präsentiert haben, währenddessen ihren Fokus wieder auf die eigenen nationalen Interessen gerichtet haben. Zwar gab es Programme wie Covax, die Initiative für einen weltweit gerechten Zugang zu COVID-19-Impfstoffen, aber wir haben auch gesehen, dass die Frage nach Patentrechten und wie man damit umgeht, nicht unerheblich ist. Der Privatsektor argumentiert ja vor allem damit, dass er viel Geld in die Entwicklung investiert hat. Und das ist natürlich ein Argument gegen die freie Abgabe von Vakzinen und Medikamenten, sofern es keine Kompensation gibt. Das ist ein Punkt, der zeigt, dass wir global noch immer nicht richtig zusammenarbeiten. Das muss sich ändern, wenn wir auf zukünftige Pandemien gut vorbereitet sein wollen.
DM: Welche Länder sind beim World Health Summit vertreten?
Julian Kickbusch: Beim letzten World Health Summit im Jahr 2022 waren Sprecher und Teilnehmer aus über 140 Nationen vertreten – vor Ort und online. Wir achten darauf, dass möglichst viele Teilnehmer und Sprecher aus dem globalen Süden kommen, wir wollen miteinander und nicht übereinander reden. Und wer nicht anreisen kann, dem ermöglichen wir auch in diesem Jahr wieder, online und kostenlos am gesamten Programm teilzunehmen. Alle fast 60 Sessions sind anschließend zudem auf unserem YouTube Kanal abrufbar. Explizit eingeladen sind auch die Botschafterinnen und Botschafter, aus allen Ländern weltweit.
DM: Wie finanziert sich der World Health Summit?
Julian Kickbusch: Es ist eine Mischfinanzierung, aus verschiedenen Bereichen. Ein zentraler Punkt für uns ist die inhaltliche Unabhängigkeit, dass niemand von außen unser Programm bestimmen kann, nicht direkt und auch nicht indirekt. Daher arbeiten wir mit einem 33 % Modell: Ein Drittel der Gelder kommt aus staatlicher Förderung, wie z.B. Berliner Senat und Bundesregierung, ein Drittel von Stiftungen, u.a. der Gates Foundation oder dem Wellcome Trust und der Rest aus dem Privatsektor, von Pharmafirmen und Tech-Unternehmen wie Google und YouTube.
Interview Marie Wildermann