500 Jahre Wirtschaftsmacht in Nord-Europa
Über den Aufstieg und das Ende der Hanse
Einige Städte in Norddeutschland tragen den Namenszusatz „Hansestadt“. Die bekanntesten: Bremen, Hamburg, Lübeck. Der Begriff Hanse stammt aus dem Mittelalter und meint einen Zweckverband von Kaufleuten, der sichere Überfahrten auf den Meeren und eine wirtschaftliche Interessenvertretung garantierte. Waren es zunächst einzelne Kaufleute, die sich Hanse-Privilegien sicherten, schlossen sich später ganze Städte an Meeresküsten, Seen und Flüssen der Hanse an. Sie lagen in einem Gebiet, das heute sieben europäische Staaten umfasst. Es reichte im Norden vom schwedischen Visby und norwegischen Bergen bis zur südlichen Handelslinie Köln-Breslau-Krakau, im Westen von La Rochelle in Frankreich sowie Zwolle in den Niederlanden. Stralsund und Wismar gehörten dazu, Danzig in Polen, Riga, Kaunas – in der Blütezeit der Hanse waren es bis zu 200 Städte. Zeitweise war die Hanse so mächtig, dass sie Wirtschaftsblockaden gegen Königreiche verhängen und Kriege mit Fürstentümern führen konnte. Die meisten Hansestädte gelangten zu großem Reichtum, was sich heute noch an vielen bedeutenden Bauwerken ablesen lässt. Auch die Wappen vieler Städte zeugen von ihrer Hanse-Geschichte: Weiß und Rot waren die Farben der Hanse. Über 500 Jahre hatte die Hanse enorme Bedeutung für den Handel in Europa, bis sie von zunehmender Konkurrenz geschwächt wurde. Der Dreißigjährige Krieg Mitte des 17. Jahrhunderts zerstörte grundlegende Handelsbeziehungen und bedeutete das Ende für den einst so mächtigen Hanseverbund. Drei ehemals wichtige Hansestädte in Deutschland stellen wir auf den folgenden Seiten vor.
HANSESTADT BREMEN
Bremen an der Weser ist die zweitgrößte Stadt in Norddeutschland und gehört mit gut 2,7 Mio. Einwohnern zur Europäischen Metropolregion Nordwest. Die Geschichte Bremens als Bischofsstadt und Kaufmannssiedlung reicht bis ins 8. Jahrhundert zurück. 1260 wurde Bremen Mitglied im Hansebund und begann wirtschaftlich zu erblühen. Nach dem Ende der kirchlichen Herrschaft des Bistums errichteten die säkularen Herrscher als Zeichen der weltlichen Macht den Roland. Der 10 Meter hohe Steinerne Roland gilt heute als Symbol für die Verteidigung von Freiheit und Recht und ist zusammen mit dem Rathaus auf dem Bremer Marktplatz UNESCO- Welterbe. Das wohl bekannteste Wahrzeichen der Hansestadt sind die Bremer Stadtmusikanten: Eine Bronzestatue von Gerhard Marcks, die an ein Märchen der Brüder Grimm erinnert, in dem Esel, Hund, Katze und Hahn aufbrechen, um in Bremen ein besseres Leben zu finden.
Bild: Statue of Roland on the market square erected in 1404. UNESCO World Heritage Site.
HANSESTADT HAMBURG
Die Hansezeit bedeutete für Hamburg Aufschwung und Wohlstand. Hamburg erwarb an Alster und Elbe gelegene Ländereien, Elbinseln wurden erworben und/oder eingedeicht, bedeutende Sakralbauten errichtet, darunter der Mariendom und die Kirchen St. Petri und St.-Nikolai. Rathaus, Stadtbefestigungen und repräsentative Wohnbauten entstanden. Anders als die meisten deutschen Städte blieb Hamburg während des Dreißigjährigen Krieges verschont, es profitierte im Gegenteil von der Einwanderung von Niederländern und von der modernen dänischen Regentschaft im nahegelegenen Altona. Auch der spätere Handel mit Übersee wurde für Hamburg zum Vorteil. Die Stadt entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Handelsplätze Europas, der Hafen war die zentrale Drehscheibe und das Tor zur Welt. Und ist es bis in die Gegenwart. Heute prägen Container das Bild im Hamburger Hafen. Der Anteil des Umschlags von Containerladung am Stückgutumschlag insgesamt liegt im Hamburger Hafen mittlerweile bei knapp 99 Prozent. 2020 war der Hafen in Hamburg der drittgrößte in Europa, weltweit liegt er damit direkt hinter New York auf Platz 20. Auch viele der architektonischen und kulturellen Highlights Hamburgs sind mit dem Hafen verbunden, etwa der weltgrößte historische Lagerhauskomplex Speicherstadt, die Landungsbrücken oder die Elbphilharmonie.
Bild: Speicherstadt, view from Poggenmühlenbrücke. Built in 1883. UNESCO World Heritage Site
HANSESTADT LÜBECK
In Lübeck gilt ein ganzes Stadtquartier als Welterbe. Ausschlaggebend für den UNESCO-Titel ist die Lübecker Altstadt mit ihren rund 1800 denkmalgeschützten Gebäuden, die die Macht und die historische Rolle der Hanse veranschaulicht. Lübeck ist die älteste Hansestadt in Deutschland. Das Wort Hanse stammt möglicherweise, gesichert ist es nicht, von „hense“ bzw. „henze“ und meint das Entgelt, das Kaufleute und Städte zahlen mussten, um Mitglied der Hanse zu werden. Damit erwarben die Hansekaufleute bzw. die hansischen Städte Zollfreiheit, Handelsprivilegien, militärischen Schutz und Sicherheit. Die war besonders nötig, nachdem Lübeck durch die Hanse zu großem Wohlstand gelangt war. Mit fünf Mauern und Befestigungsanlagen schützte sie sich gegen Bedrohungen von außen. Heute sind als Überreste noch zwei erhalten, eines davon ist das Holstentor, das Wahrzeichen Lübecks. Die berühmtesten Söhne der Stadt sind zweifellos die großen Schriftsteller-Brüder Thomas und Heinrich Mann. Das Buddenbrookhaus in der Mengstraße, das durch den Roman von Thomas Mann weltberühmt wurde, ist heute ein Museums- und Forschungszentrum der Manns.
Bild: The Holsten Gate, built in 1464. UNESCO World Heritage Site.