Perspectives & VoicesAbraham-Abkommen

Ausgetrocknete Flussbetten, verminderte Ernten: Der Sommer dieses Jahres hat uns auch in Deutschland und Europa das Ausmaß des Klimawandels einmal mehr vor Augen geführt. Im Nahen Osten ist die Lage noch dramatischer: In einer bereits wasserarmen Region sind die Auswirkungen verheerend. Experten gehen davon aus, dass die Region vom östlichen Mittelmeer bis zum Golf noch stärker als der Rest der Welt vom Klimawandel betroffen sein wird. Temperaturanstiege von 4 Grad sind hier bereits eingepreist und wohl nur noch durch globale einschneidende Maßnahmen zu verhindern. Es ist daher angebracht, dass die Welt für die UN-Klimakonferenz (COP27) im November 2022 in Scharm El-Scheich zusammenkommt.

In dem unweit der israelischen Grenze gelegenen ägyptischen Küstenort wurden in den letzten Tagen auch einige wegweisende Kooperationen zwischen Israel und anderen Staaten der Region vereinbart. Die Grundlagen dafür wurden über die letzten Jahre geschaffen: Die am 15. September 2020 zuerst mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain geschlossenen und im Dezember 2020 und Januar 2021 auf Marokko und den Sudan erweiterten Abraham-Abkommen haben die politischen Realitäten im Nahen Osten grundlegend verändert. Seit mehr als zwei Jahren bieten sie den Rahmen für einen zunehmenden „warmen Frieden“.

Zarte Aussichten zeigen sich hinsichtlich einer Zusammenarbeit zwischen Israel und weiteren arabischen Staaten, die (noch) nicht dem Framework der Abraham-Abkommen angehören. Am 08. November kamen am Konferenzort unter dem Vorsitz der Präsidenten von Ägypten und der Republik Zypern die Mitgliedsstaaten der Eastern Mediterranean and Middle East Climate Change Initiative zusammen. Hierbei bemerkenswert: Israel saß hier unter anderem mit Vertretern des Libanon, der Palästinensischen Autonomiebehörde, des Irak, Saudi-Arabiens und Katars an einem Tisch. Neben dem erst kürzlich abgeschlossenen Seegrenzabkommen zwischen Libanon und Israel zeigt sich, dass auch hier Veränderungen in den seit Jahren angespannten Beziehungen grundsätzlich möglich sind. Die uns alle bedrohende Jahrhundertfrage des Klimawandels könnte so auf eine Art und Weise etwas Positives bewirken und durch den schieren Druck der bestehenden Herausforderungen neue Brücken entstehen lassen.

Die engsten Verbindungen hat Israel in den letzten zwei Jahren mit den Vereinigten Arabischen Emiraten geknüpft. Dies wirkt sich mittlerweile auch positiv auf die Beziehungen zu anderen Staaten aus. Ein gutes Beispiel ist der Blue Green Deal zwischen Israel, Jordanien und den VAE, welcher die Lieferung von Wasser durch Israel an Jordanien im Austausch für jordanische Lieferungen von Solarstrom an Israel vorsieht. Die VAE, welche am Bau der Solaranlagen beteiligt sind, hatten maßgeblich zu dem Abkommen beigetragen. Am Rande der COP27-Konferenz wurde hierfür ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, welches in Zusammenarbeit mit John Kerry entstand, dem Sondergesandten des US-Präsidenten für das Klima. Parallel dazu schloss auch die Bundesrepublik ein erstes trilaterales Abkommen am Rande der COP27 ab. Gemeinsam mit Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten will man sich um die Energiewende und Energieeinsparungen im Gebäudesektor bemühen. Diese Vereinbarung könnte als Best Practice für zahlreiche weitere Projekte dienen.

Auch in den Beziehungen zwischen Marokko und Israel wurden in Scharm El-Scheich Fortschritte erzielt. So traf der marokkanische König Mohammed Ben Al-Hassan in Ägypten auf Isaac Herzog, Präsident des Staates Israel. Auf der wirtschaftlichen Ebene schlossen das israelische Unternehmen H2Pro und die marokkanische Gaia Energy eine Vereinbarung ab, welche eine vertiefte Zusammenarbeit im Bereich Grüner Wasserstoff vorsieht. Das auf erneuerbare Energien spezialisierte marokkanische Unternehmen wird mit israelischer Technologie Wasserstoff herstellen und perspektivisch nach Spanien exportieren. Marokko und Israel hatten bereits im September 2022 ein umfangreiches Kooperationsabkommen im Bereich Energie abgeschlossen, welches eine vertiefte Zusammenarbeit in der Erforschung von Batterietechnologien, Recycling, Solarenergie und Wasserstoff vorsieht und zudem Kooperationen im Energietransport vorsieht.

Für den Nahen Osten kann der Gipfel bereits jetzt als Erfolg gewertet werden. Trotz dieser Initiativen bleibt jedoch viel zu tun. Hier stellt sich die Frage, inwiefern insbesondere Deutschland und die Europäische Union weiter zur Verstetigung eines noch sehr jungen Prozesses beitragen können. Eine Möglichkeit wäre die Schaffung eines Entwicklungsfonds, der klimapolitische Projekte im Rahmen der Abraham-Abkommen unterstützt. So könnte gleichzeitig auf zwei Ziele hingearbeitet werden: Neben der Verminderung von Emissionen und der Bekämpfung des Klimawandels könnte gleichzeitig ein Beitrag zur Stabilisierung der Region durch die Förderung von regionalen Kooperationen geleistet werden.

Der Fall des syrischen Bürgerkriegs, dem eine verheerende Dürre und ein dramatischer Anstieg von Lebensmittelpreisen vorangegangen war, zeigt, dass dies auch im eigenen Interesse Europas liegt. Der Entstehung neuen Leids und neuer Flüchtlingsströme kann durch regionale, klimapolitische Aktivitäten entschieden entgegengewirkt werden.

Die weitere wirtschaftliche Integration der Staaten in der Region untereinander sowie auch mit der EU kann darüber hinaus zusätzliche Beiträge leisten. Wie vom amerikanischen Ökonomen Jeffrey Sachs vorgeschlagen, könnte Europa durch die Integration der europäischen und nahöstlichen Stromnetze einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. Hiervon würde Europa maßgeblich profitieren, da sich insbesondere im Solarbereich mittel- bis langfristig große Möglichkeiten für den Stromimport aus der Region bieten. Die EU könnte es dabei zur Bedingung machen, dass die Netzintegration mit Europa nur geschehen kann, wenn auch Israel einbezogen wird. Technologisch wäre dies ohnehin sinnvoll.

Insbesondere könnte die europäische Seite dazu beitragen, die Vorteile möglicher klimapolitischer Projekte im Rahmen der Abraham-Abkommen auch den Palästinensern zugute kommen zu lassen. Für trilaterale Initiativen wie den Green Blue Deal zwischen Israel, Jordanien und den VAE bedarf es eines Partners, der wie Deutschland auch in Ramallah und der Westbank Vertrauen genießt. Die Notwendigkeit für neue Zusammenarbeit liegt auf der Hand: Der Klimawandel macht auch vor dem Hochland des Westjordanlands nicht halt. Nicht zuletzt werden auch hier neue friedenspolitische Impulse benötigt.

Die Startup Nation Israel bietet sich als Partner für klimapolitische Projekte an. In unzähligen Bereichen gehören israelische Unternehmen zur Weltspitze: Von Tröpfchenbewässerung über Soil Sensing und der Erforschung dürreresistenter Getreidearten bis hin zu ertragsoptimierenden und emissionsreduzierenden Milchkühen liefert israelische Technologie Antworten auf die zentrale Herausforderung unserer Zeit. In einer Region, in der Lebensmittelengpässe in den letzten eineinhalb Jahrzehnten regelmäßig zu politischer Instabilität geführt haben, ist dies mehr denn je gefragt. Auch in Bereichen wie der gemeinsamen Bekämpfung von Waldbränden sind die Vorteile regionaler Zusammenarbeit offensichtlich. Es ist Zeit, diese Möglichkeiten für gemeinsamen Wohlstand und Frieden zu nutzen.

Der nächste UN-Klimagipfel (COP28) wird im November 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfinden. Die ideale Möglichkeit, um weitere klimapolitische Projekte im Rahmen der Abraham-Abkommen zu beschließen – dann federführend moderiert von Deutschland und der Europäischen Union. Dafür benötigt es im Idealfall einen gemeinsamen europäischen Ansatz – in Klimafragen wie in der Nahostpolitik. Die Abraham-Abkommen bieten jedenfalls eine klimapolitische Chance für den Nahen Osten.

Text Carsten Ovens