Perspectives & VoicesFrieden braucht eine Doppelstrategie mit Herz und Verstand

Deutschland und die Welt sind aus dem Bullerbü- Traum ewigen Friedens aller Menschen in einem realen Albtraum erwacht. Die Bilanz der westlichen Außenpolitik im 21. Jahrhunderts ist insgesamt nicht nur enttäuschend, sondern katastrophal. Die Abschreckung eines Angriffs auf die Ukraine: gescheitert. Der Aufbau einer Demokratie mit Frauenrechten in Afghanistan: nach 20 Jahren mit Milliarden Investments und vielen Toten: gescheitert. Die Eindämmung des totalitären Iran: gescheitert. Eine bessere Friedensordnung im Irak, Libyen oder Syrien: gescheitert. Die Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika und Asien: gescheitert. Die Einbindung Chinas in eine freie Weltordnung: gescheitert. Die westliche Friedens-und Sicherheitspolitik hat auf ganzer Ebene versagt. So wie bisher kann und darf es nicht weitergehen. Wir brauchen eine effektivere Außenpolitik mit Herz und Verstand, eine Welt 4.0.

Deutschland und Europa benötigen einmal mehr Realismus statt Träumereien. Wir sollten unsere nationalen Interessen klar definieren und verteidigen. Weg mit den endlosen ideologisch geprägten Standardsätzen, der Oberflächlichkeit und der Banalität im Denken, Sprechen, Planen und Handeln. Weg mit den endlosen Absichtserklärungen, denen keine Taten folgen. Probleme werden verwaltet anstatt Lösungen zu gestalten. Was uns fehlt, sind Entschlossenheit und Mut, die Zukunft aktiv anzugehen. Wir können den Weltfrieden mit der Trilogie aus Humanität, Kreativität und Effektivität retten: das ist unsere Mission Zukunft. Humanität ist auch in einer Realpolitik unverzichtbar. Denn sie ist das Herzstück demokratischer Staaten.

Vielfalt ist die DNA Gottes. Ideologische Ansätze hingegen schränken das Glück und die Freiheit des Menschen ein. Freiheit ist unser Sauerstoff, Toleranz das Schmieröl für ein gutes Miteinander unterschiedlicher Kulturen. Was der Mensch nicht braucht, ist staatliche Bevormundung. Freiheit ist ein hohes Gut, ohne sie werden Bürger zu Marionetten diktatorischer Regierungen. Die neue Außenpolitik Welt 4.0 sollte deshalb auf Menschenrechten, Toleranz und Freiheit basieren und diese gegenüber unfreien Systemen verteidigen. Totalitäre Maßstäbe sind der unheilbringende Nährboden für Unterdrückung, Gewalt und Krieg. Daher braucht die westliche Allianz eine eindeutige Doppelstrategie: Kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Das bedeutet, wir können mit diktatorischen Staaten Handel treiben und auch zusammenarbeiten, müssen dort aber gleichzeitig mehr denn je Humanität, Freiheit und Toleranz einfordern und stärken.

Das gut gemeinte Konzept „Wandel durch Handel“ ist gescheitert. Der Deal mit Russland über Nord Stream 2 – trotz völkerrechtswidriger Annektion der Krim – hat uns in eine energiepolitische Abhängigkeit getrieben. Die Weigerung der Merkel-Regierung, Verteidigungswaffen für die Ukraine zu liefern, war ein grober Fehler deutscher Außenpolitik. Das Ergebnis ist ein furchtbarer Krieg mitten in Europa. Ich lehne daher das von vielen Lobbyisten, Politikern und Wirtschaftsvertretern praktizierte Wegschauen, Kleinreden, die stillschweigende Duldung menschenverachtender Regimes und deren Repressalien gegenüber der eigenen Bevölkerung, kategorisch ab. Das ist bourgeoises Appeasement, das auch von China als Schwäche ausgelegt wird und das kommunistische Regime in seinen Invasionsplänen für Taiwan geradezu ermutigt.

Was ist zu tun? Die Regierungen und die EU sollten einen Menschenrechts- und Freiheitsfond einrichten, der mit mehreren hundert Millionen Dollar pro Jahr im Ausland Gruppen unterstützt, die für Freiheit und Menschenrechte kämpfen. Zudem sollte jedes Land einmal im Jahr dem Parlament einen Bericht zur weltweiten Lage der Menschenrechte vorlegen sowie Dokumentationsstellen für Menschenrechtsverletzungen einrichten.

Albert Einstein sagte einst: „Vorstellungskraft ist wichtiger als Wissen. Wir können nicht die Probleme der Welt auf derselben Denkebene lösen, auf der wir sie geschaffen haben.“ Eine Erkenntnis, die an Aktualität nicht verloren hat. Im Gegenteil. Nur mit größtmöglicher Vorstellungskraft, Umdenken und Neugierde können wir den globalen Kampf um Macht, Einfluss und Fortschritt gewinnen. Doch die politische Kreativität ist verkümmert, lieber belässt man es bei den vermeintlich verlässlichen Strukturen, nach dem Motto „Business as usual“. Wenn wir stattdessen aber starr in unserer Komfortzone verharren, werden die Demokratien der Welt verlieren. Wir brauchen auch einen Paradigmenwechsel in der Personalpolitik: Nicht der leisetretende Karrierist, sondern der kreative Mitdenkende sollte befördert werden.

Die Effizienz der Außen-und Sicherheitspolitik ist unterentwickelt. Fast immer sind wir zu spät, verbrennen zu viel Geld, bewirken zu wenig. Wie können wir effizienter werden? Eine endlose Problemdiagnose verhindert den Beginn der Therapie. Das müssen wir umdrehen: Wir benötigen frische Ideen, intelligente Optionen und unkonventionelle Lösungsvorschläge, weniger Verwaltung, Behörden- und Paragraphenstau und mehr persönliche Verantwortung der Politiker. Wir brauchen auch einen breiten öffentlichen Diskurs, bevor politische Entscheidungen im Eilverfahren vom Parlament durchgewunken werden. Kontroverse Diskussionen sind nicht mehr erwünscht, obwohl sie den Kern jedes demokratischen Meinungsbildungsprozesses ausmachen. Weg von einer medialen Inszenierung von Außenpolitik wie den pompösen G-7- und G-20-Gipfeln, die nichts bringen außer schöne Bilder. Ein jährlicher Fortschrittsbericht im Parlament wäre wegweisender.

Wir sollten ein wirksameres Kosten-Nutzen-Management aufbauen, in dem die Gesamtkosten einer Krise aufgelistet und regelmäßig überprüft werden. Vages Zeitmanagement war gestern, jetzt muss ein präziserer Ablaufplan her, wann wir was erreichen wollen und können durch schnellere, kontrollierte Umsetzung. Die derzeitigen Probleme Deutschlands und der EU wie zu hohe Energiepreise, Inflation, Bildungsdefizite, zu wenig neue Patente, zu viel Bürokratie, zu wenig Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sind selbst verschuldet. Die grüne Null-Emissionspolitik und der Verzicht auf Atomkraft oder Fracking in Deutschland bereiten China den Weg zur Weltherrschaft. Anstatt von einer Krise zur nächsten zu springen, müssen fortan präventiv potentielle Konfliktbomben entschärft werden. Wir sollten mehr eigeninitiativ agieren, statt immer nur zu reagieren. Wir sollen unsere Außenpolitik lokal von unten nach oben denken und nicht unsere Weltsicht anderen aufzwingen und damit scheitern. Wer in der realen Welt schwach ist, bietet eine potenzielle Angriffsfläche. Eine ausreichende Verteidigungsfähigkeit ist daher unverzichtbar. Es liegt nicht an den Machthabern Putin oder Xi – es liegt an uns, was wir aus der Krise machen und wie wir unsere Demokratie in der realen Welt stark positionieren. Optimismus ist gefragt, weniger Zynismus und Resignation. Wir können, ja wir müssen das schaffen. Mit Herz und Verstand. Seien wir mutig mit unserer Mission Zukunft!

Text Dr. Hubertus Hoffmann
Bearbeitet: Birgit von Heintze