Politics & StandpointsNATO Partner Israel

Die Zusammenarbeit zwischen der NATO und Israel hat sich über mehrere Jahrzehnte schrittweise entwickelt. Die russische Invasion der Ukraine und die sich verändernde Sicherheitsarchitektur in Europa erfordern es nun, diese Zusammenarbeit zu einer engeren Partnerschaft auszubauen. The Israel Survey 2023 zeigt dafür eine breite Unterstützung der europäischen Politik. Fragt man die deutsche Bevölkerung, so offenbart sich ein differenzierteres Bild.

Einst als „nordatlantische“ Sicherheitsorganisation gegründet, weitete die NATO im Laufe der Jahre ihre Zusammenarbeit mit Staaten außerhalb des nordatlantischen Raums aus. Nach dem NATO-Gipfel in Istanbul 2004 erklärte sich Israel beispielsweise bereit, an der Operation „Active Endeavour“ teilzunehmen. Der NATO-Gipfel in Lissabon führte 2010 schließlich zu einem neuen strategischen Konzept, welches auch eine aktive Einbindung der Partner im Mittelmeerdialog vorsieht – einem Kooperationsprojekt zwischen der NATO und Drittstaaten im Mittelmeerraum. Dies öffnete die Tür für eine israelische Beteiligung an gleich drei NATO-Initiativen: dem Euro-Atlantic Disaster Response Coordination Center (EADRCC), der NATO Training Cooperation Initiative (NTCI) sowie dem Science for Peace and Security (SPS) Program.

The Israel Survey 2023

Fragt man die europäische Politik, so votieren 67 Prozent der Parlamentarierinnen und Parlamentarier für eine engere Zusammenarbeit zwischen der NATO und Israel. In Frankreich hat der Ausbau der Zusammenarbeit im Bereich Verteidigung sogar oberste Priorität. Dies zeigt The Israel Survey 2023, eine Studie des European Leadership Network (ELNET).

Die Meinungen in Deutschland

Die deutsche Bevölkerung denkt grundsätzlich ähnlich, wie eine Erhebung des Marktforschungsinstituts Civey im Auftrag von ELNET im Juni dieses Jahres ergab. Lediglich ein Drittel der Deutschen meint, dass die NATO keine engere Zusammenarbeit mit Israel anstreben sollte. Auffällig ist jedoch, dass insbesondere die Wählerschaft der AfD einer solchen Kooperation mehrheitlich ablehnend gegenüberstehen (53,7 Prozent). Dabei sind mehr als 40 Prozent der AfD-Unterstützer ohnehin auch grundsätzlich gegen eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel. Zum Vergleich: Wählerinnen und Wähler von FDP und Grünen sind zu jeweils knapp 90 Prozent für engere Beziehungen in verschiedenen Themengebieten.

Das israelische Raketenabwehrsystem

In Deutschland hat der russische Angriff auf die Ukraine und die dadurch fundamental veränderte Sicherheitslage die engere Zusammenarbeit mit Israel grundsätzlich intensiviert. Kurz nach Kriegsbeginn entschied der Deutsche Bundestag, die von Israel geleasten Heron-TP-Drohnen nun auch zu bewaffnen. Ungefähr zeitgleich begann in Deutschland die Diskussion um den Kauf des israelischen Raketenabwehrsystems Arrow-3, welcher nach der genannten ELNET-Umfrage von über 60 Prozent der Deutschen unterstützt wird. Auch wenn es um die israelische Einbindung in die von Deutschland angeführte European Sky Shield Initiative (ESSI) geht, ist lediglich ein Drittel der Deutschen skeptisch.

Gemeinsame Erfahrungen

Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass die NATO noch immer eine wichtige Rolle für die Sicherheit Europas spielt. Die NATO-Mitglieder haben ihre Bereitschaft bewiesen, die Ukraine zu unterstützen. Diese hat wiederum gezeigt, dass sie in der Lage ist, ihre Verteidigungsfähigkeiten schnell zu optimieren. Die NATO und Israel sind entsprechend beide daran interessiert, die Sicherheit Europas zu verbessern. Sie beide haben Erfahrungen im Kampf gegen den Terrorismus gesammelt und teilen die Sorge hinsichtlich der Stabilität im Nahen Osten.

Lehren aus dem Ukrainekrieg

Vor dem Hintergrund eines möglichen Ausbaus der Zusammenarbeit zwischen der NATO und Israel sind drei Lehren aus dem Ukrainekrieg relevant:

  1. Die Luftüberlegenheit ist keine Garantie für den Sieg. Die russische Luftwaffe wurde trotz zahlenmäßiger Überlegenheit von der Ukraine mit tragbaren Flugabwehrraketen stark dezimiert. Israels Luftabwehrsysteme könnten einen weiteren Beitrag leisten.
  2. Die Zivilbevölkerung ist ein legitimes Ziel für Angreifer. Die NATO muss sich auf die Verteidigung ihrer Städte und ihrer Zivilbevölkerung vor Raketenangriffen vorbereiten. Israels Erfahrung kann auch dabei helfen, die Resilienz der Zivilbevölkerung zu stärken.
  3. Unbemannte Drohnen werden eine immer wichtigere Rolle in der Kriegsführung spielen. Die NATO und Israel sollten eng zusammenarbeiten, um die Entwicklung und den Einsatz von unbemannten Drohnen zu verbessern.

Von Israel lernen

Der Krieg in der Ukraine dauert nun bereits eineinhalb Jahre. Um ihr Land zu verteidigen, verbrauchen die ukrainischen Streitkräfte große Mengen an Material und Munition jeder Art. Die westliche Rüstungsindustrie kann nicht schnell genug liefern. So verbraucht die ukrainische Armee zeitweise in wenigen Tagen so viele Artilleriegranaten, wie die Vereinigten Staaten in einem Monat produzieren. Die umfangreichen Erfahrungen der israelischen Streitkräfte (IDF) in der Kriegslogistik und der Produktion in Zusammenarbeit mit der Industrie sind daher umso mehr für die NATO essenziell. Eine effektive Wartung von Flugzeugen, Panzern, Kampffahrzeugen, Artillerie und insbesondere Reservewaffensystemen ist für die Fähigkeit zur Führung von Kriegen wie in der Ukraine von entscheidender Bedeutung. In Zusammenarbeit mit Israel könnte die NATO ihre logistischen Kriegsvorbereitungen auf der Grundlage realistischer Gefechtsanforderungen verbessern.

Engere Zusammenarbeit NATO – Israel

Die Israelischen Streitkräfte (IDF) sind heute größer als die meisten europäischen Armeen, vergleichbar etwa mit der deutschen Bundeswehr. Sie verfügen zudem über ähnliche Waffensysteme, die von der NATO eingesetzt werden. Damit bestehen keine wesentlichen technischen Hürden, um die militärischen Fähigkeiten der NATO durch Israel zu stärken. Darüber hinaus bietet sich eine enge Partnerschaft an auch im Bereich der strategischen Kommunikation, bei der Bewältigung von Klimawandel und Migration sowie in der Personalausbildung und -entwicklung.

Kurzum, eine engere Zusammenarbeit zwischen der NATO und Israel würde die Sicherheit in Europa und dem Nahen Osten verbessern und dazu beitragen, Europa und Israel zu einem friedlicheren Ort zu machen. Europäische Parlamentarier sowie die deutsche Bevölkerung würden dies unterstützen. Ein Auftrag zum Handeln.

Text Carsten Ovens